Eine Hommage an das Filmfestival Locarno.

Auch Kommerzielle machen Kultur. Eine kleine Hommage an das Filmfestival Locarno.

So ging das im Mai 2008. Damals erschien der Artikel zum EM-Auftakt im Kulturmagazin der Basler Zeitung (BAZ) als Anzeige vom Media Markt Basel. Vielleicht nicht unbedingt zur Freude der Leser, dem Schreiber hat's aber viel Spass gemacht.

Roland Voser, im Mai 2018

Die Alternative zum Fussball, wenn’s wirklich nicht mehr anders geht? Eine Empfehlung dazu. In zwei Varianten. In beiden Fällen zentral gelegen im Bahnhof SBB.

Filmfest in Locarno.

Nun, es war im August 1996 am 49. Filmfestival in Locarno – wohin ich eigentlich eher zufällig geraten war. Dort, wo jener Film den Grundstein für eine 10 Jahre dauernde Freundschaft mit dem aussergewöhnlichen Grossleinwand-Ereignis im Tessin legte. 7 Filme pro Tag (und das rund 10 Mal hintereinander) war das Mindeste. Offen gesagt, eine wahre Ochsentour, und angesichts des Dargebotenen war oft auch ein ratloses Publikum keine Seltenheit.

Aber trotzdem, eigentlich hat es sich immer irgendwie gelohnt. Zum Beispiel hat sich Madeleine Hirsiger auch mal neben mich gesetzt (man kennt sie ja: die Kino-Expertin vom Schweizer Fernsehen). Und sie hat mich natürlich nicht erkannt. Es war ja auch dunkel.

Wenn im Saal mehr passiert als auf der Leinwand. Auch das ist Locarno.

Denkwürdig mit Sicherheit auch der Samstagfilm vom 9. August 1997 “Face/Off” von John Woo. Nicolas Cage und John Travolta tauschten miteinander ständig die Gesichter aus und dem Publikum flogen dabei völlig Locarno-unlike die Filmkugeln um die Ohren. Und mittendrin die damalige Schweizer Bundespräsidentin Ruth Dreifuss. Wahre Situationskomik vom Feinsten, so wie es eben nur in Locarno passieren kann.

Oder ein im Film „The Full Monty“ in der Schlussszene tobendes Publikum beim Auftritt strippender Arbeiter, wo dann der Applaus nahtlos auf die 7'000 Menschen auf der Piazza Grande überging und so jedes Filmfinale eindrücklich sprengte.

Lieber Lügen und Geheimnisse. 

Aber ich wollte ja über einen Film berichten. „Secrets & Lies“ von Mike Leigh mit Brenda Blethyn und Marianne Jean-Baptiste (GB 1996). Mike Leigh, 1943 in Salford in England geboren, hat mit diesem Werk ein wahres Juwel des neueren englischen Films realisiert. Zur Handlung: Infolge des Todes ihrer Adoptivmutter entschliesst sich Hortense, eine junge schwarze Frau, ihre biologische Mutter zu suchen. Dank der lokalen Behörden gelangt die eher gutbürgerliche Junggesellin schnell zu ihrem Ziel: Sie erfährt, dass ihre richtige Mutter Cynthia heisst, erstaunlicherweise weiss ist und dass sie in einem Armenviertel wohnt.

Und so nimmt diese englische Vorstadtgeschichte mit den Beziehungen ihrer Protagonisten ihren Lauf; die während den ganzen 2 Stunden und 22 Minuten ohne irgendwelche Hänger immer tief berührend ist und sich letztlich während eines Barbecues in einer Art und Weise entlädt, wie man es niemandem wünscht. Oder aufgrund der reinigenden Klärung halt eben doch.

Unvergesslich stark.

Unvergesslich die Szene in einem Kaffee, wo sich Cynthia und Hortense das erste Mal näher kennenlernen: während 8 Minuten ein ans Herz gehender Dialog, der seinesgleichen in der Filmgeschichte sucht. Ohne eine Veränderung der Kamera, ohne Schnitt und Bewegung und trotzdem wahre Adrenalinschübe beim Zuschauer auslösend. Eigentlich gibt’s im Film nicht viel zu lachen – Blethyn: „Ich habe in keinem Film soviel weinen müssen!“ Aber Leigh vermag es, mit behutsamem Augenzwinkern und gekonntem britischem Humor die an sich tragischen Szenen nicht nur erträglich, sondern zu einem wahren Vergnügen werden zu lassen. Mike Leigh hat offenbar bei seinen Filmen (z.B. in „Bleak Moments“, 1971) vielfach Teile der Drehbücher bloss mündlich den Darstellern erzählt und damit der Improvisation viel Spielraum gelassen. Wohl auch hier ein Grundstein für diesen absolut herausragenden Film.

Lieber original. 

Also wie gesagt, ich habe diesen Film das erste Mal in Locarno gesehen. Nicht auf der Piazza Grande, denn es hat geregnet. Dafür im Palazzetto Fevi. Notabene mit Platz für nur 3'500 Zuschauer, anstelle der damals noch etwa 7'000 auf der Piazza. Selbst cinephile Individuen entwickelten wieder die Überlebensinstinkte ihrer Vorzeit. Da hatte sich doch Einer über vier Plätze zum Zwecke der Reservation gelegt. Er wurde nach scharfem Wortwechsel letztlich in einem regelrechten Handgemenge von einer aufgebrachten Frauengruppe aus dem Saal transportiert. Vom Rest war ich nicht mehr Zeuge. Der Saal wurde dunkel und es hiess „Buona Visione!“ Das wünsche ich Ihnen auch, denn wir haben Ihnen den Film auf DVD wieder beschafft. Und – geniessen Sie ihn auf Englisch. Notfalls mit deutschen Untertiteln. Die Synchronisation ist gelinde gesagt nicht empfehlenswert - die Originalversion dafür umso mehr.

Lieber Adrians. 

Na gut, werden Sie meinen, wenn schon drinnen, dann richtig heiss. OK - dann hören und sehen Sie sich die besten Adrians der Schweiz live an. „adrians&more“ in concert gibt’s am 23. Mai 2008 um 20.30 Uhr im Social Club Basel mit Adrian Weyermann, Adrian Stern, Myron, Marvin und James Gruntz (ja, genau dieser Newcomer ist irgendwie mit dem Jazzer George Gruntz verwandt. Und das verpflichtet). Man munkelt auch von einer inoffiziellen Crank-Reunion: Adrian Weyermann hat seinen Bruder Lukas – und damit den ehemaligen Drummer von Crank – in seine exklusive Abendformation gebeten.  Mitten drin der Slam Poet Laurin Buser und damit doch eine eher ungewohnte Zutat. Man darf gespannt sein, was daraus der Moderator Adrian Plachesi anrichtet. Offen gesagt, wieso im Anschluss ein Dance Listening der besten 70ties Live-Recordings zelebriert wird, weiss wohl niemand. Aber was soll’s, es macht Spass. Wer dabei nicht schwitzen will, der kann ja unbeweglich – frei nach John Lennon – sein Wohlwollen mit Juwelenklimpern bezeugen. Und ja, trotz „adrians&more“ werden Sie kein EM-Spiel verpassen. Gut, nicht?

In diesem Sinne wünsche ich der Schweizer Nationalmannschaft ein leidenschaftliches „Hopp Schwiiz“. Und enttäuscht mich nicht – ich habe auf Euch gewettet!

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smartmyway unterwegs.

(c) 2018: Blick vom Monte Bar auf den Monte Generoso, den Monte Boglia und die Denti della Vecchia, Kanton Tessin, Schweiz. Foto: Maurizio Vogrig

 

Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig.

Experte für Digitalisierung, Digital-Business, Handel, Sales & Marketing, E-Commerce, Strategie, Geschäftsentwicklung, Transformationen, Turn Around, Innovation, Coaching, erneuerbare Energien, Medien, Professional Services, Category Management, Supply Chain Management