Groteske Kundenunfreundlichkeit in den Läden.

Ausfahrt Spreitenbach. Die Händler machen es uns Kunden nicht einfach. Wenn Kundenunfreundlichkeit grotesk wird.

Wieso Digitalisierung viel mit Kundenunfreundlichkeit zu tun hat und IKEA die bessere Wahl ist. Goodbye, ihr Ewiggestrigen, ihr Unfreundlichen.

Roland Voser, 22. Oktober 2017

Prolog.

Wie anhand der Profilstatusänderung auf Linkedin unschwer zu erkennen ist, bin ich also seit dem 2. Oktober jeden Morgen um 5 Uhr aufgestanden, damit der Arbeitsbeginn um Nullachthundert garantiert bleibt, habe nahtlos wichtige Meetings bis gegen 1800 Uhr bestritten und bin letztlich so um 2200 Uhr wieder ins heimatliche Koma gefallen.

Täglich habe ich das gottlose Verkehrschaos konsequent während rund 2.5 Stunden absolviert. Bis es nach genau 5 Tagen zuviel wurde und ich im Nirgendwo zwischen Zürich- und Walensee in der Nähe des Arbeitsortes eine neue Bleibe gefunden habe. Zwei Tage später habe ich den Wohnungsvertrag unterschrieben, 3 Tage danach den Hausrat gezügelt, eine Woche später den Transfer mit Volleinrichtung abgeschlossen.

Einen tollen Vermieter habe ich gefunden, der nichts unversucht gelassen hat, mir mit seiner Schreinerhandwerkskunst grosse Freude zu bereiten. Gusti und Frieda heissen meine neuen beiden Gastgeber. Liebenswürdige Menschen, die sich nach meinem Einzug verdienterweise ein paar Ferientage gönnten. Ich werde ihnen Tessiner Spezialitäten aus unserer kleinen Cantina mitbringen.

Eine vorher rekognoszierte Hotelbleibe blieb unberücksichtigt.

Die Geschichte.

Ich bin kein Hotelmensch. Sondern ein Wohnmensch. Darum machte ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Wohnsofa für meine neue Wohnung.

Man berücksichtigt die ansässigen Möbelhändler. Dachte ich mir.

Eine nette Verkäuferin hat mir dort die recht grosse Ausstellung an Polstergruppen, Sesseln und Sofas gezeigt. Und - das rechne ich ihr hoch an - auch nach dem offiziellen Ladenschluss hat sie mir noch Unterlagen zusammengestellt und die unsäglichen Ledermuster mitgegeben. Ich sollte doch einfach mal zuhause schauen, was am besten passt.

Irgendwie wusste ich doch, dass ich diese Ledermuster hätte ablehnen sollen. Aber ich wollte ihre Verkaufskunst belohnen und habe mich damit bewusst zum Wiederkommen einfangen lassen. Obwohl ich wusste, dass ich nie die von ihr angekündigten 8 Wochen auf ein Sofa warten würde. Hätte ich mich in der Zwischenzeit auf einer Luftmatratze einkuscheln sollen?

Ich wäre auch bereit gewesen, ein Sofa direkt ab Ausstellung zu kaufen. Das scheint hier nicht Konzept zu sein, und irgendeinen Grund gab es immer, es nicht zu tun. Dass ich in meiner Lage tatsächlich mehrere Tausend Franken auszugeben bereit war, stand zudem in Widerspruch.

Also verliess ich das Geschäft unverrichteter Dinge mit einer Tasche voller Prospekte und diesen besagten Ledermustern. Letztere legte ich in der Wohnung auf den Teppich und betrachtete sie im Kontext der Wohnung unschlüssig.

Leider hatten die Möbelstücke im Katalog keine Einzelpreise. Auch auf der Online-Seite gab's bloss Preise für die abgebildete Kombination, wenn überhaupt. Wenn mich ein Produkt interessieren würde, dann sollte ich das Kontaktformular benützen.

Nur irgendwo im Netz gab es einen PDF-Prospekt mit den letzten Aktionen. Darauf fand sich tatsächlich ein Stück in hellem Braun und zu einem ansprechend günstigen Preis von etwas über Tausend Franken.

Nicht Leder, aber trotzdem: "animal free", sagte ich mir, ist doch eigentlich sehr cool.

Am nächsten Tag besuchte ich das Geschäft über Mittag. Die nette Dame war nicht anwesend. Dafür ein älterer Herr, der mich ziemlich schnell mit Namen identifizierte und mir zuerst einmal ein ziemlich schlechtes Gefühl wegen der Ledermuster machte, denn "wir sollten diese schon wieder für den Verkauf haben".

Auf meine Anmerkung, dass 8 Wochen etwas lange sind, fand er, dass "das halt so bei ihnen sei". Ich schaute mir das braune Sofa an, und er brummte etwas von einem Kunstfaserbezug.

Ich spürte einen stärker werdenden Drang in Richtung Ausgang. Eine Minute später war ich weg.

Die Ledermuster hatte ich zwei Tage zuvor zuhause vergessen. Ich stellte sie mir am nächsten Tag bereit und nahm sie dann auch mit. Am Abend musste ich wegen eines nicht ordentlich reparierten Defekts den Wagen nochmals in meine Garage in Aarau bringen. Das hiess Westumfahrung Zürich im Abendhauptverkehr. Zweieinhalbstunden quasi Vollchaos.

Ich übernachtete am alten Wohnort in der Nähe von Aarau, fuhr dann wieder im Ersatzwagen zurück. Kurz vor Uznach wurde mir bewusst, dass die Ledermuster in der Garage in Aarau im Kofferraum meines eigenen Wagens geblieben waren. In der Zwischenzeit kam irgendwann die Meldung der Garage, dass sie nicht fertig werden würden.

Dann die Episode mit dem wenig freundlichen Herrn vom Möbelfachgeschäft.

Es wurde mir klar, dass ich also am Abend nochmals nach Aarau fahren musste, um diese Ledermuster zu holen und rechtzeitig vor dem Wochenende dem Möbelgeschäft zurückbringen zu können.

Nochmals Westumfahrung Zürich. Diesmal zwei Unfälle. Um 1930 Uhr in Aarau angekommen. Ein noch spät anwesender Mitarbeiter der Garage übergibt mir freundlich die Tasche mit den Katalogen und Ledermustern.

Auf der Ledermusterholfahrt habe ich mich daran erinnert, dass ich früher sämtliche meine Möbel ausnahmslos bei IKEA gekauft habe. Ich bin ein IKEA-Kind, dachte ich mir.

In Spreitenbach bin ich dann zu IKEA abgebogen und habe mir bis kurz vor 2100 Uhr von einer netten und sehr hilfsbereiten Dame die Sofa-Möglichkeiten erklären lassen. Drei Alternativen standen zur Auswahl. Die Lieferzeit betrug für das Ledersofa einige Tage, vielleicht 2 Wochen.

Mit einem guten Gefühl fuhr ich durch die Nacht dem Zürichsee entlang zurück zu meiner neuen Wohnung. Am nächsten Morgen habe ich mir die zwei Klippan-Sofas bei IKEA mit Click & Collect in Spreitenbach gekauft. Am Nachmittag standen sie ab 1400 Uhr zur Abholung bereit. Aufgrund der Verpackungsmasse wusste ich die Grösse des benötigten Transportfahrzeuges. Den benötigten Mietwagen habe ich gleich bei IKEA mitreserviert.

Über Mittag habe ich dem Möbelfachgeschäft seine Ledermuster zurück bringen wollen. Leider hatten sie geschlossen. Ich habe ihnen die Tasche samt Inhalt vor die Tür gestellt.

Und mir geschworen: Nie mehr. Nie mehr in solche Fachgeschäfte.

Epilog.

Am Nachmittag haben wir zu zweit die Sofas bei IKEA abgeholt und mit dem Mietwagen zur neuen Wohnung transportiert. Alles selbst rauf getragen und bestens zusammengebaut. Gegen Abend brachte ich den Bus zurück zu IKEA. Die Verpackungen konnte ich auch gleich dort deponieren.

Draussen bei der Rampe zwei laut diskutierende IKEA-Mitarbeiter. Drinnen ein leicht angespannter Mann am Schalter der Mietwagenrückgabe. Sein Gesicht hellte sich auf, als ich ihm zum Abschied sagte, dass IKEA einfach einen guten Service hat.

Alles bestens erledigt. Ich ging nochmals durch IKEA. Zwei Leuchten fehlten in der neuen Wohnung. Und noch ein paar andere, nicht unbedingt benötigte Dinge.

Zugegeben. Mein Einkaufswagen war kurz vor 2100 Uhr übervoll. Es bereitete mir dann auch ziemlich Mühe, alle diese Dinge auf das Förderband zu legen und gleichzeitig vorne wieder einzupacken, ohne dass ein Stau entstehen würde.

Die Kassierin von IKEA absolvierte mit ihren Kunden vor mir, die sie offensichtlich persönlich kannte, herzlich und lange den Zahlvorgang. Mich bestrafte sie mit einem strengen, eigentlich stechenden Blick, als ich am Band und beim Zahlgerät in Verzug kam.

Ich lächelte trotzdem zurück und dachte mir, dass ich mir jetzt mein tolles Einkaufserlebnis bei IKEA nicht von ihr vermiesen lassen würde. Aber unabhängig davon und wäre IKEA mein Geschäft, ich hätte diese arrogante Person zweifellos entlassen. Sofort. Mindestens.

Digitalisierung hat mit Technik nur am Rande zu tun. Als Kunde gibt sie mir die Möglichkeit, Unfreundlichkeit aus dem Weg zu gehen und nur nach intensiver Online-Recherche sehr selektiv mit Geschäften in Kontakt zu treten. Vielleicht ist die Digitalisierung gerade deswegen derart erfolgreich.

Ich jedenfalls verabschiede ich mich jetzt definitiv von den Ewiggestrigen des Handels. Goodbye.

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smartmyway unterwegs.

(c) 2018: Passstrasse St. Gotthard, Mini Coupé, Kanton Uri, Schweiz. Foto: Roland Voser

 

Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig.

Experte für Digitalisierung, Digital-Business, Handel, Sales & Marketing, E-Commerce, Strategie, Geschäftsentwicklung, Transformationen, Turn Around, Innovation, Coaching, erneuerbare Energien, Medien, Professional Services, Category Management, Supply Chain Management