Kritischen Erfolgsfaktoren im Detailhandel.

Oasen der Freundlichkeit. Die kritischen Erfolgsfaktoren im Detailhandel.

Die Service-Wüste lebt. Normalerweise hinter der nächsten Ladentüre. Und alle kopieren sie munter voneinander.

Roland Voser, 25. August 2018

Die Sache mit der Kundenfreundlichkeit.

Normalerweise finden sich Kunden im Detailhandel rasch in der Wüste. Egal, über welche Touchpoints sie das Unternehmen erreichen, überall kann etwas schiefgehen und tatsächlich ist gerade der Weg am weit entfernten Online-Touchpoint zur nächsten Oase der Kundenfreundlichkeit manchmal weit.

Nun gut. Möchten Sie wissen, was die tatsächlich kritischen Erfolgsfaktoren im heutigen Detailhandel des Wandels sind? Hier sind sie - kurz und bündig:

1. Konsequente Kundenausrichtung

Kundenunfreundlichkeit bewahren?

Jeder spricht davon. Wenige tun's wirklich konsequent. Viele bemühen sich redlich, aber die kundengewünschte Durchgängigkeit ist selten erlebbar. Kundenunfreundlichkeit als Modell - ist das an den Haaren herbei gezogen? Wie auch immer, jeder macht seine einschlägigen Erfahrungen im Endkundengeschäft.

Gerade in der Phase der Veränderung besteht die Gefahr, dass Bewahren des Bewährten eine perfekte Kundenausrichtung verhindert. Paradox, weil doch gerade "Change" schlicht das Einsehen beinhaltet, dass der Ist-Zustand ("Kundenunfreundlichkeit") nicht länger erfolgversprechend ist und ein neuer Soll-Zustand ("Kundenfreundlichkeit") angestrebt werden soll, ja muss. Weiter auch, weil Bewährtes ja eigentlich wiederum Gutes impliziert.

Vergesst Best Practise.

Ist Best Practise der Ausweg? Ich behaupte Nein und stelle die These auf, dass im heutigen Detailhandel Kundenunfreundlichkeit vielerorts vorherrscht. Dann bringt Kopieren nur wieder neue Kundenunfreundlichkeit, wenn auch vielleicht in einer etwas abgeänderten Form. Es müssen also neue Business-Ideen her!

Verständlich, dass wir uns alle zuerst einmal schwer tun, mit all diesen komplexen Veränderungen.

2. Management Change

Die Haltung des Managements ist entscheidend.

Und jetzt kommt's: Diese Erkenntnis der Notwendigkeit des Wandels und damit der ehrlichen Transition von Un- zu Freundlichkeit muss sich ganz zuerst in den Köpfen des unternehmensverantwortlichen Managements einfinden, ausbreiten und festsetzen.

Nicht einfach. Denn das ist der tatsächliche Kulturwandel, der im Unternehmen stattfinden muss: Werte, Grundhaltung, Verhalten muss im Management neu entwickelt und gelebt werden.

Ganz primär und vor allem Anderen.

Wenn klar ist, wohin die Reise geht, tun die Mitarbeiter dann schon, was man von ihnen erwartet.

3. New Business separieren

Passt das Unternehmen noch zum Kunden?

Der Wandel hat mit dem Online-Geschäft zusätzlich die zweite fundamentale Dimension erhalten. Der Kunde bewegt sich an jenen Touchpoints zum Unternehmen, die im zusagen und seinen Bedürfnissen und Erwartungen entsprechen. Die Frage ist nicht mehr, ob der Kunde zum Unternehmen passt, sondern, wie das Unternehmen zum Kunden passt.

Die Berührungspunkte zwischen Unternehmen und Kunden sind heute vielfältig. Seit einigen Jahren zusätzlich virtuell und damit online. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Offline-Geschäft mit rückläufigen Kundenfrequenzen zu kämpfen hat. Die Kunden wandern ab: Zu den Online-Anbietern, ins Ausland oder in die Kombination beider Phänomene.

Es liegt also für die Detailhändler der Schweiz nahe, sich zumindest ein Stück vom Online-Inlandgeschäft zu sichern. Nach den bespielten Medien und Büchern, nach Consumer Electronics und mit Zalando auch Fashion, beginnt nun die Online-Post im Einrichtungsgeschäft abzugehen. Schmuck und Uhren kündigen sich an. 

Cleverness ist die Voraussetzung. Man muss schon eine Idee haben, um zukünftig bestehen zu können.

Die clevere Kombination von Online- und Offline-Geschäft steht heute früher oder später bei jedem Händler auf der Agenda. Problematisch ist, wenn Online zum Zweck Offline oder umgekehrt strapaziert wird. Denn die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden sind an den Berührungspunkten unterschiedlich: Ein Online-Kunden möchte nicht zwingend seine Ware in einer Filiale abholen müssen, weil er sich gerade dieses schwere Paket nach Hause liefern lassen möchte. Ein Offline-Kunde möchte seine Artikel nicht virtuell vorgeführt erhalten, weil er das Gerät doch gerade jetzt live erleben will.

Online zum Zweck Offline erleidet Schiffbruch. Auf der ganzen Linie. Es ist nicht kundenorientiert.

Doch setzen gerade viele Offliner verständlicherweise dort an: Wie kann Online das Offline-Geschäft wieder stimulieren und zu neuer Blüte bringen? Das ist auch berechtigt, denn das neue Geschäft wird naturgemäss durch das Bestehende finanziert. Aber eben gleichzeitig auch behindert, weil seine Sachzwänge akzeptiert werden müssen: Der Zahlende befiehlt. Damit können aber die Stärken des Neuen nicht entwickelt und später nicht potent ausgespielt werden. Ein Schiffbruch dieses Ansinnens wird absehbar. Die Beispiele häufen sich.

Also raus aus den bestehenden Strukturen und Sachzwängen mit den neuen Units. Inspiration beim Kunden fängt ganz zuerst bei inspirierten MitarbeiterInnen an. Erst mit der Etablierung  des Neuen im Unternehmen wird eine erfolgreiche Kombination auf gleicher Augenhöhe möglich und das Cross-Channel-Konzept verheissungs- und wirkungsvoll. Dieser Ausbruch muss nicht unbedingt geographisch erfolgen. Zugestandene unternehmerische Freiheiten und ernsthafte Eigenverantwortung können massgeblich zum Gelingen beitragen.

4. IT-Systeme unterordnen

Vielleicht sollte man tatsächlich einfach von vorne beginnen?

Hier knüpft der nächste Punkt an. Nach den 80er Jahren mit der Einführung offener Client-Server-Architekturen und dem damit verbundenen Absterben grosser Mainframe-Systeme, kündigt sich eine ziemlich ähnliche EDV-Krise an: Die in die Jahre gekommenen System- und Plattformen wurden für das Offline-Geschäft optimiert und sind damit gleichzeitig nur sehr schwer integrierbar für das neue, sehr rasche Realtime-Online-Geschäft geworden.

Die Abhängigkeit von der IT zwingt Unternehmen in grössere Einschränkungen und Abhängigkeiten, als das je alle Mitbewerber vereint tun könnten.

Die alten Systeme behindern die notwendige Veränderung und damit das nachhaltige Entstehen von Neuem. Dies zu verhindern erfolgt mittels Einführung geeigneter Meta-Ebenen-Architekturen und -Plattformen, die die Handhabung der neuen Kernkompetenzen ermöglichen, perfekt garantieren und die alten Systeme mittels isolierter Schnittstellen koppeln.

5. Rückstand aufholen genügt nicht

Den Mitbewerber kopieren, bedeutet, gezielt einen Rückschritt von 5 - 10 Jahren in Kauf zu nehmen.

Diese Zeitdauer hatte er für die Umsetzung gebraucht und so alt dürfte demzufolge das Konzept sein.

Gerade in dieser überschnellen Zeit sind Investitionen in die Vergangenheit sehr sorgfältig vorzunehmen. Denn diese Investitionen orientieren sich an den Vorstellungen und Bedürfnissen der Vergangenheit und können mit grosser Wahrscheinlichkeit falsch sein. Weil sie den Ist-Zustand charakterisieren, der ja gerade mit dem Soll-Zustand überwunden werden soll.

Die Trends der Zukunft sind matchentscheidend, und darauf sind die Kräfte zu konzentrieren.

Digital Readyness Factor ist damit rasch erhoben.

Ein Screening einer Detailhandelsunternehmung nach dieser Methode gibt rasch und pragmatisch über die Readyness "kundenfreundliche Cross-Channel-Unternehmung" Aufschluss. Ein systematischer Vorgehensplan lässt sich daraus ableiten und damit der Change sicher und gezielt vorwärts treiben.

Wann bauen Sie Ihr Unternehmen zu einer neuen Oase der Kundenfreundlichkeit um?

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(c) 2018: Cantina Monti, Cademario, Kanton Tessin, Schweiz. Foto: Roland Voser

 

Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig.

Experte für Digitalisierung, Digital-Business, Handel, Sales & Marketing, E-Commerce, Strategie, Geschäftsentwicklung, Transformationen, Turn Around, Innovation, Coaching, erneuerbare Energien, Medien, Professional Services, Category Management, Supply Chain Management