Im Namen Gottes.
Gedanken zum SRF-Club-Thema Freikirchen und christliche Schulen.
Jetzt haben alle etwas Abstand gewonnen. Der Chocolatier aus dem Glarnerland verschwindet langsam aus den Schlagzeilen, die Medienleute suchen sich neue Themen für die Herbstferienflaute und erwarten die anstehenden eidgenössischen Wahlen. Dennoch, es muss für alle Beteiligten und Betroffenen eine sehr schwere Zeit sein. Nicht nur während der paar Tage mit hohem medialen Interesse; vielmehr dauert für viele Involvierte diese zehrende Situation bereits Jahre, ja Jahrzehnte an.
Dann, am 3.10.2023, diskutierte im Club von SRF nochmals eine recht ausgewogene Runde über Freikirchen und christliche Schulen. Ein guter Anlass, auf das Thema in einem Diskurs näher einzutreten, weil die hauptsächliche Ursache, die offensichtliche Widersprüchlichkeit im Christentum und bei Religionen im Allgemeinen, auch hier erneut nicht zur Sprache kommt. Möglicherweise kann die Sicht eines Aussenstehenden zur Klärung beitragen.
P.S. Als ehemaliger begeisterter Ministrant und heutiger Agnostiker füge ich meine Fotos von 2016 vom Kloster Disentis bei, ohne damit einen näheren Bezug zum Thema zu beabsichtigen. Einfach, weil mich solch mystische Orte immer faszinierten und ich dort stets bemerkenswerte Menschen getroffen habe.
Roland Voser, 6. Oktober 2023
Einführung.
Einen sachlichen Diskurs führen.
Beim Thema Freikirchen ist Sachlichkeit und damit gesunde Distanz ratsam. Daher interessieren für einmal weniger die Protagonisten, dafür vielmehr die zu Grunde liegenden Ursachen, die diese Glaubensgemeinschaften in Bedrängnis bringen können. Es soll auch die Privatsphäre Beteiligter und Betroffener respektiert bleiben. Diese Menschen sollen selbst entscheiden, wie transparent und ehrlich sie sein und was sie mit der Öffentlichkeit teilen wollen.
Es ist befremdend, dass Medien Vorverurteilungen und Anschuldigungen vornehmen, ohne dass Straftaten vorliegen würden. Das Mantra der Unschuldsvermutung ist dabei scheinheilig. Also soll der vorliegende Artikel diese Machart nicht zusätzlich befeuern. Auch, weil ihre sensationsgetriebene, oberflächliche Form der Berichterstattung des Schweizer Rechtsstaates unwürdig ist.
Anders sieht es aus, wenn tatsächlich eine Straftat vorliegt: Dann hat ein rechtsstaatlich legitimiertes Gericht nach einem korrekten Verfahren sein Urteil zu fällen.
Christentum als Grundlage der westlichen Gesellschaft.
Doch wieso ist dieses Thema auch für Nichtgläubige wichtig? Weil das Christentum eine zentrale Grundlage der westlichen Gesellschaft darstellt.
Seine im neuen Testament eingeführten Werte sind essenzielle Bausteine der Schweizerischen Verfassung und des Schweizerischen Rechtsstaates, der alle Menschen gleich behandelt, egal welcher Herkunft, welcher Rasse, welchen Geschlechts, welchen Alters, welcher Sprache, welcher sozialen Stellung, welcher Lebensform, welcher religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder welcher körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung (BV Art. 8).
Die positiven Grundwerte des Christentums haben zweifellos die Bundesverfassung und die Schweiz als Nation und Land massgeblich positiv geprägt, und damit geht dieses Thema auch die Schweiz als Gesamtes an.
Am Anfang steht das Wort.
Frohe Botschaft der Angst.
Die grosse Furcht der Christen ist in der Johannes-Offenbarung begründet, dem letzten Buch der Bibel. Die Prophezeiung über die bevorstehende Apokalypse, die Endzeit der Menschheit, lässt jedem Gläubigen Angst und Schrecken in die Glieder fahren, weil Sündern unvorstellbares Leiden widerfahren wird.
Diesem Martyrium kann nur entrinnen, wer letztlich bedingungslose Treue zu Gott hält.
Der Ungläubige fragt sich: Was hat das mit Nächstenliebe, Reue und Vergebung zu tun? Wie menschenfeindlich ist bloss dieser Mechanismus des Christentums mit Himmel und Hölle, kommt er doch einer Erpressung gleich?
Fragwürdige Interpretation der Bibel.
Dieses Buch wird ausgelegt, interpretiert, gedeutet und erklärt (z.B. hier oder hier). Dabei stellen sich den Lesern Fragen: Wird es diese Monster der Offenbarung in der Endzeit wirklich geben? Wird das jüngste Gericht eines Tages tatsächlich stattfinden? Gibt es Himmel und Hölle und diesen Satan? Je nach Auslegung, Denkhaltung und Verträglichkeit erfolgt die Auslegung eher entkräftet oder eben erhärtet.
Der Mensch der Vernunft erkennt beim Lesen der Passagen, dass er ein Ungläubiger und damit aus der Sicht der Gläubigen ein Verlorener ist. Angesichts der Apokalypse ist er wohl auch insgeheim recht froh darüber, dass nach dem Tod einfach fertig ist und nicht auch noch dieser unendliche Schrecken kommen soll.
Aber was macht das mit den Gläubigen? Was sollen sie glauben? Konsequent an alles, was in der Bibel geschrieben steht? Oder sollen Teile weggelassen oder in unsere Zeit übertragen werden? Wären beispielsweise die Posaunen wegzulassen, dafür die apokalyptischen Reiter beizubehalten? Wäre die Züchtigung von Kindern aus Liebe zu unterlassen oder fortzuführen? Oder in welcher Form wandelt der Teufel heute durch die Gesellschaft? Als Homosexueller oder Putin etwa?
Die Unwirklichkeit solcher hypothetischen aber entscheidenden Fragen übersteigt das menschliche Fassungsvermögen, und ihre Komplexität kann letztlich zu einem nachvollziehbaren Schluss führen: Nur die wörtliche Bibeltreue gibt die gewünschte klare Orientierung, alles andere ist verfälscht und kann nicht mehr die allein selig machende Wahrheit sein.
So gesehen ist die Bibeltreue fundamentalistisch-evangelikaler Freikirchen zumindest ehrlicher, als die heute oft praktizierte differenzierte Auslegung der Bibel je nach Thema, Ort, Zeit und Interessenlage. Ohne damit zu sagen, dass dies inhaltlich gescheiter wäre.
Doch konsequenterweise sind damit gleichzeitig alle Bibelpassagen ungeschönt gültig, die auch Repression wie die erwähnte Züchtigung von Kindern legitimieren.
Die Bibel bietet logischerweise keinen Spielraum.
Aber wer hat dieses Wort so gesetzt? Wer hat die Schwergewichte in der Bibel wie und warum so gelegt? Wie relevant sind so gesehen die einzelnen Passagen tatsächlich? Wie sind die Aussagen auszulegen? Es waren Menschen mit eigenen Vorstellungen und Überzeugungen, und es ist nicht nur eine Frage der Komplexität, sondern auch der Logik und Konsequenz.
Denn wenn die Bibel Interpretationsspielraum zulassen würde, dann wäre sie als Leitlinie für die Menschen unbrauchbar. Weil so folglich auch die Gebote interpretiert werden könnten.
“Du sollst nicht töten” ist absolut und unmissverständlich. Der laizistische Staat hat dieses Gebot aber relativiert und interpretiert: “Du sollst nicht töten, den Feind im Krieg aber schon”. Der Staat erhält hier von den Landeskirchen Unterstützung, denn ihre Feldprediger sind Teil der Armee und vertreten uneingeschränkt diese Erweiterung des 5. Gebotes. Auch die anderen 9 Gebote gelten in der heutigen Gesellschaft nicht mehr uneingeschränkt. Manche mit ausdrücklicher Zustimmung, manche mit Billigung der Landeskirchen.
Diese Widersprüchlichkeit zwischen Geboten, Haltung und Praxis ist für eine Kirche untauglich, weil sie für sich die alleinige Wahrheit in Anspruch nehmen will. Dann dürften aber nie derartige Unstimmigkeiten und Widersprüche herrschen.
Mit dieser inkonsequenten Haltung verunsichern die Landeskirchen die Menschen und lässt sie sich von ihnen abwenden.
Religionsfreiheit gehört auf den Prüfstand.
Dieses Übertragen alter Lehren in die heutige Zeit gelangt also an seine Grenzen und hinterlässt zu oft Ratlosigkeit. Die individuelle Behandlung verschiedenster Glaubensrichtungen mit ihren Lehrschriften überfordert sowohl den Staat als auch die Menschen.
Ein einfacher Kriterienkatalog wäre hier hilfreicher. Dazu stellt sich die Frage: Wäre nicht am einfachsten die Religionsfreiheit neu zu formulieren?
Werden offensichtlich falsche Lehren gelehrt, Menschen unter Druck gesetzt oder im Extremfall Hass gegen Andersgläubige, Andersdenkende und Anderslebende gepredigt, darf das nicht unter dem Mantel der Religions- und Meinungsfreiheit geschehen und durch sie so geschützt bleiben.
Man muss vielmehr unmissverständlich verstehen, dass Meinungs- und Religionsfreiheit solange gewährt sind, wie sie nicht zu Lasten oder zum Leid von anderen erfolgt. Christenverfolgung, Judenverfolgung, Verfolgung von Homosexuellen, Morden an Ungläubigen usw. kann nie durch Meinungs- oder Religionsfreiheit in irgendeiner Form legitimiert werden.
Die Leiden der Verfolgten.
Selbstverständnis der Freikirchen.
Die Stärke und Bedeutung der Offenbarung hat für Freikirchen auch eine andere Dimension: Das Buch war offenbar für unterdrückte Christen eine Trost- und Hoffnungsschrift während der Christenverfolgungen im Römischen Reich.
Freikirchen sehen sich nun in einer ähnlichen Opferrolle: Sie vertreten noch als einzige die Bibel wortgetreu, in ihrem Sinne “richtig” und werden im Gegenzug von der Gesellschaft kritisiert. Ein Angriff auf ihre Organisationen interpretieren sie wohl durchaus als moderne Form der Christenverfolgung.
Mit dieser extremen Glaubensauffassung werden sie zu einer isolierten Gemeinschaft, die nur auf sich selbst zählen und vertrauen kann. Allem Externen müssen sie folglich mit Misstrauen begegnen: Nie würde man sich Ungläubigen offenbaren, aus Angst, von ihnen im Gegenzug Repression zu erfahren.
Religiöse Parallelgesellschaften.
Daraus entstehen notgedrungen Parallelgesellschaften. Mit eigenen Werten, Regeln und Verfahren. Mit eigenen Organisationen und Leitungsstrukturen.
Die leitenden Positionen werden nachvollziehbar ausschliesslich mit Personen aus der eigenen Gemeinschaft besetzt. Nicht viel anders, als es in einer Untergrundorganisation oder einer Widerstandsorganisation in einem (nun im übertragenen Sinn vom Teufel) besetzten Land der Fall ist. Demzufolge verstehen sich solche Organisationen in einem permanenten Kampf mit dem Rest der (ungläubigen) Welt.
Loyalität zur Gemeinschaft führt zu einem ausgeprägten Gruppenzwang. Die Leitungsstrukturen mutieren zu Machtstrukturen, damit die Gemeinschaft geschützt und logischerweise auch Abtrünnige nach den eigenen Gesetzen gemassregelt werden können.
Diese durchaus auch bibeltreuen Regeln sind für den grössten Teil der aussenstehenden Gesellschaft oft kontrovers, und damit muss Verschwiegenheit und Intransparenz Teil des Systems sein. Verheimlichen muss, wer etwas zu verbergen hat.
Prediger im Teufelskreis.
Manipulationsgefahr aufgrund der Machtposition.
In diesen Machtstrukturen kommt den Predigern (bzw. Leitern von Freikirchen oder allgemein Religions- und Sektenführern) zentrale Bedeutung zu. Sie legen die Schwergewichte ihrer Predigten und damit die der Gemeinschaft Orientierung gebenden Inhalte fest.
Übernehmen sie eine Doppelrolle, nämlich Prediger und Seelsorger, kommt neben dem Gruppendruck der Gemeinschaft während der Gottesdienste zusätzlich ein direkter und vertraulicher Kanal zum Individuum zum Tragen. Dieses vertraut sich dem Seelsorger an. Es teilt ihm seine Nöte und Ängste in der Hoffnung mit, Hilfe zu erhalten.
Spätestens ab diesem Punkt ist der Manipulation von Menschen Tür und Tor geöffnet. Vertreten Seelsorger zusätzlich fragwürdige Haltungen, beispielsweise rassistische Lehren, wird ihre Haltung sowohl für die Gemeinschaft als auch die Gesellschaft belastend, ja gefährlich.
Die Anforderungen an die Integrität von Seelsorgern ist also enorm.
Fragwürdige Legitimation aufgrund fehlender Ausbildung und fehlendem Weitblick.
Aber woher nehmen diese Leute überhaupt die Kraft und das Recht, sich über andere Menschen in ihrer Gemeinschaft zu stellen, ihnen die frohe Botschaft nach eigenem Ermessen zu verkünden und Fehlbare zu richten? Sie tun dies nicht im eigenen Namen, sondern im Namen Gottes - schieben sie damit nicht noch die Verantwortung für ihr Tun auf Gott ab?
Wie kommen Menschen dazu, sich dazu befähigt zu sehen, das Wort Gottes zu predigen? Wieso glauben sie, dass sie dazu legitimiert wären? Weil sie erleuchtet sind? Weil sie eine Vision haben? Weil sie den Auftrag von Gott erhalten haben? Weil sie Kraft aus dem Gebet mit Gott schöpfen?
Wie können sie im Zwiegespräch selbstkritisch sein, wenn sie Kritik Aussenstehender nicht annehmen können, weil sie ihnen misstrauen? Dieser Teufelskreis führt wohl dazu, dass sie gezwungenermassen den Bezug zur Wahrheit und den nötigen Weitblick verlieren.
In diesen Fällen würde den Berufenen mehr Demut gut anstehen und ein Predigungsverzicht ebenfalls. Möglicherweise wäre dort - bei den Seelsorgern - mit der Erneuerung des Christentums an sich anzusetzen. Ihre Selbstüberschätzung und Selbstgerechtigkeit ist latent und kann schmerzen. Auch mit physischen Schlägen, wie wir erfahren haben.
Ehrliche Transparenz ist der nötige Leitstern.
Ganz zuoberst steht Transparenz. Hier ist möglicherweise auch der Unterschied zwischen den Landeskirchen und den Freikirchen zu finden: An der Basis in den Pfarreien ist die Chance für gemeinschaftsweite Verfehlungen deutlich kleiner, weil die Transparenz zur Öffentlichkeit deutlich besser gewahrt bleibt.
Die Abgeschlossenheit vom Machtzentrum Vatikan ist hierzu das automatische Gegenstück: Die Vorgänge sind deutlich intransparenter als in der öffentlichen Kirche im Dorf und gleichen so gesehen der abgeschlossenen Bubble einer Freikirche.
Transparenz ist kein Selbstzweck. Vielmehr ist sie Teil eines wirkungsvollen Systems von Checks and Balances, das Auswüchse normalerweise verhindert, solange keine kriminelle Energie im Spiel ist.
Die Schlüsselfrage.
Gesellschaft im Umgang mit Minderheiten.
Tatsächlich sind die in der Gesellschaft neu akzeptierten Lebensformen für Religionen zum Prüfstein geworden. Das Thema Homosexualität spaltet nach wie vor latent die Welt.
Die Homophobie hat ihren Ursprung in der Normabweichung einer Minderheit (der Homosexuellen), deren Lebensform von einer Mehrheit (der Heterosexuellen) abgelehnt wird.
Dies, obwohl Homosexualität für die Betroffenen keine Wahl ist. Sie ist angeboren und Veranlagung. So wie ein Mensch braune, blaue oder grüne Augen hat. Sie ist also natürlich und damit von Natur aus normal.
Eine Gesellschaft zeichnet sich aus, wie sie mit ihren Schwächeren und ihren Minderheiten umgeht. Der Schweizerische Rechtsstaat und seine Gesellschaft ist diesbezüglich fortgeschritten, und diese Errungenschaft gilt es zu bewahren.
Kriterium für die Klassifizierung von Organisationen.
Homosexualität wird nicht zuletzt zur Schlüsselfrage, weil sie klärt, ob sich die Antwortenden an menschengemachten Dogmen oder an der naturgegebenen Ordnung orientieren. Die Schlüsselfrage lautet: “Wie stehen Sie und Ihre Organisation zur Homosexualität?”
Wenn diese Frage nicht eindeutig beantwortet wird, dann hat die Organisation keine klare Linie oder ist unehrlich.
Wird sie negativ beantwortet, dann verfolgt die Organisation Repression gegenüber Andersdenkenden und Andersfühlenden und ist abzulehnen.
Wird sie positiv beantwortet, dann verfolgt die Organisation ein positives Weltbild der Gleichheit aller Menschen ohne Diskriminierung.
In der Regel führen Freikirchen ein hartes Regime gegenüber homosexuellen Menschen. Eigentlich ist es traurig, dass eine gefühlt verfolgte Minderheit selbst eine andere Minderheit ausgrenzt oder aber durch Bekehrung “auf den richtigen Weg” bringen will.
Die Indoktrination.
Grosse Verantwortung für Gewissensnöte und Entscheidungsunfähigkeit von Schülerinnen und Schülern.
Die Seelsorger und Lehrpersonen von christlichen Schulen übernehmen in diesem Kontext grosse Verantwortung. Gerade bei den Kindern, den Schwächsten der Gemeinschaft und Abhängigsten von vertrauensvollen Bezugspersonen, akzentuiert sich diese Aufgabe derart, dass einseitige Beeinflussung nachhaltige Gewissensnöte auslösen und die positive Entwicklung der Schützlinge gefährden kann.
Aus diesem Grund muss die offene Gesellschaft Privatschulen gegenüber kritisch eingestellt sein, auch weil hier die Indoktrination der skizzierten Parallelgesellschaft erfolgt und die Kinder damit in existentielle Zwangslagen kommen können.
Andererseits haben sich die Werte in den staatlichen Schulen stark verändert und forcieren ein durchaus oft einseitig politisch gefärbtes Weltbild, das nicht zwingend mit jenem der Eltern übereinstimmen muss, weil es neben persönlichen Interessenlagen der Lehrkräfte nicht zuletzt aus Integrationsgründen auf viele fremde Kulturen Rücksicht nehmen muss.
Die Eltern stecken somit in einer Zwickmühle: Wie können sie ihr Kind erziehen, dass es möglichst frei eine Meinung bilden kann und dies auf der Grundlage von konstruktiven Leitlinien, die es entscheidungsfähig für die Zukunft und die damit verbundenen immer grösser werdenden Herausforderungen macht?
Das Kind sollte sich zum Rechtsstaat bekennen und in diesem Rahmen selbst entscheiden können, ob es mündig die von seinen Eltern oder Lehrpersonen zusätzlich angebotenen Werte übernehmen will. In der katholischen Kirche kennt man die Firmung, die dieses Glaubensbekenntnis mit religiöser Mündigkeit fordert. Nur sollte die Firmung nicht durch die vom Entscheid betroffene Partei selbst erfolgen, weil damit wieder eine Drucksituation entstehen kann.
Achtsamkeit gegenüber sich, den Mitmenschen und der Welt.
Achtsamkeit gegenüber sich selbst, den Mitmenschen und der Welt müsste mit Sicherheit als eine der wichtigen Fähigkeiten im Vordergrund der Bildung stehen. Nicht ein Angstregime der Repression. Nicht etwas, das letztlich Menschen eigenmächtig beschlossen und als Wort Gottes deklariert haben - aber möglicherweise mit Jesus Christus nichts mehr zu tun hat. Wer könnte hier den Gegenbeweis antreten, dass die vorliegende Fassung der Bibel tatsächlich Gottes Wort wider gibt?
Gerade in dieser Veränderung der westlichen Kultur aufgrund der Migration mit ihren oft fundamentalistischen Religionen läge ja die Kernaufgabe der Kirche in einer konstruktiven Orientierung bezüglich westlicher Vernunft, Integration, Verständnis und Toleranz. Doch auch die Kirche predigt nach wie vor die ewige Verdammnis.
Letztlich wird die wirtschaftliche Migration zu einem der stärksten Herausforderung der westlichen Welt werden: Es ist niemandem übel zu nehmen, wenn sie oder er ihre/seine Perspektivlosigkeit in der dritten Welt nun im paradisischen Westen verbessern will. Es ist auch niemandem zu verübeln, wenn Menschen in den Zielländern Angst vor dieser Migration haben, denn sie wird mit Sicherheit nicht konfliktlos werden, wenn die westlichen Gesellschaften weiterhin ihre Errungenschaften bewahren wollen.
Ausblick in leere Kirchenbänke.
Das Angstkonzept hat ausgedient
Wenn Jesus Christus sagt, dass er nicht gekommen sei, um das alte Testament [der Repression] in Frage zu stellen, stellt er gleichzeitig seine Botschaft der bedingungslosen Nächstenliebe in Frage. Auch dieser Widerspruch hat nichts Göttliches, sondern ist Teil dieses von Menschen über Jahrhunderte zusammengestellten und oft veränderten Buches, das wir Bibel nennen. Oder wie soll “Liebe deinen Nächsten” nun verstanden werden? Etwa als “Liebe deinen Nächsten, solange du nicht als Mann einen Mann liebst”?
Solche Widersprüche sind letztlich Grund, wieso sich die Landeskirchen leeren: Sie können keine klare Botschaft der Erneuerung, diesmal ohne Angstkonzept, präsentieren. Dies, weil wohl die Mächtigen der Kirche - wie bei jeder Veränderung - sich selbst am nächsten stehen und ihre Errungenschaften nicht gefährden wollen. Möglicherweise auch aus Sorge um die Kirche als Ganzes, denn der Ausgang einer solchen Veränderung ist unsicher und unklar.
Die daraus fehlende Orientierung und Sicherheit suchen und finden dann die Menschen in Freikirchen mit deren Bibeltreue und engen religiösen Auslegung. Die Landeskirchen ihrerseits verheddern sich in Politik und Parteinahme für Dinge, die mit Seelsorge nichts mehr zu tun haben. Damit verlieren die Landeskirchen die breite Unterstützung der Menschen und damit letztlich ihre Daseinsberechtigung.
Der Veränderungsbedarf liegt auf der Hand.
Transparenz: Ganz zuerst muss Transparenz her. Hidden Agendas sind bei Kirchen und ähnlichen Moralinstanzen ein absolutes No-Go. Im Rechtsstaat sind dazu neue strengere Kriterien erforderlich, weil mit der zunehmend stärkeren Migration aus fremden Kulturen Vereine mit anderen Werten und Verhaltensweisen entstehen werden, die möglicherweise berechtigterweise die Grundfesten der westlichen Gesellschaft in Frage stellen. Der Rechtsstaat muss dazu aber zeitgerecht die nötigen Antworten parat halten.
Prediger-Ausbildung: Jene, die indoktrinieren wollen, müssen zuerst richtig indoktriniert werden! Ohne staatlich anerkannte und erfolgreich abgeschlossene Ausbildung sollte niemand in der Schweiz predigen. Es benötigt klare Kriterien und Anforderungen an Prediger und auch an die gepredigten Inhalte. Der gesunde Menschenverstand soll hier leiten. Unabhängig davon darf dieses Thema aber nicht länger dem Zufall überlassen werden.
Lehrer-Ausbildung: Die Schwächsten der Gesellschaft, die Kinder, verdienen speziellen Schutz. Kinder dürfen alle zeugen, zum Fischen wird ein Patent benötigt. Auch dort sei die Frage erlaubt: Wie werden Eltern ausgebildet, damit sie Kinder gross ziehen können? Somit muss klar sein, dass auch an Privatschulen niemand unterrichtet, der dafür keine staatlich anerkannte und erfolgreich abgeschlossene Ausbildung vorweisen kann.
Koexistenz von Privatschulen und öffentliche Schulen: Privatschulen sollen nicht isoliert oder elitär funktionieren, sondern den Bezug zur Realität erhalten. Aus diesem Grund sind geeignete und gegenseitig wirksame Vorkehrungen zu treffen, wie Privatschulen und öffentliche Schulen ergänzend koexistieren können.
Ein froher Ausblick.
Wieviel Leid haben Religionen und Kirchen in den letzten 2000 Jahren verursacht?
Es wäre tatsächlich eine frohe Botschaft, wenn in der Schweiz dieser Konflikt überwunden werden könnte.
Es fängt im Kleinen an. Möglicherweise an einem Ort wie Kaltbrunn.
Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig.
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