Glücklichsein ist kein Zufall.

Zufällig auf dem Estrich gefunden: Der Award zum Abschied vom MediaMarkt Basel. Eine Reminiszenz und ihr Impuls.

Vor 12 Jahren habe ich den MediaMarkt in Basel verlassen und das Online-Business von MediaMarkt Schweiz übernommen. Am Schluss gab’s in Basel von meinem Team einen Award für mich. Eines der wenigen Abschiedsgeschenke, die man aufbewahrt. So in diesem Fall auch ich. Oder anders gesagt: Wenn Abschiede Impulse erzeugen, dann ist das hoffnungsvoll.

Roland Voser, 20. Oktober 2024

Tatort Basel.

Zugegeben spotte ich jeweils, wenn die Leute auf Linkedin jedes ihrer Kurszertifikate feiern. Doch heute war ich zufällig auf dem Estrich, habe den “Tatort Basel” bei den alten Bildern stehen sehen und tue es jetzt auch.

Dieses Bild kreierte damals mein Marketingverantwortlicher und diesbezüglicher Sidekick David Schär. Mein Musik- und Filmchef Alex Rudin überreichte mir die Würdigung zum Abschied vor dem Team mit feierlichen Worten im Jahre 2012. Im Publikum meine treuen Mitstreiter Lukas Morand und Domenico Bazzano und all die anderen wunderbaren Menschen, die miteinander dieses Unternehmen ausmachten. Der Rest ist schnell erzählt: Ein tolles Fest im markteigenen Social Club, Koffer gepackt, nach Zürich in die Zentrale gefahren und dort nahtlos das Online-Business-Team übernommen. Auch damals, wie beim Markt, den ich gerade verlassen hatte, als Geschäftsführer und Verwaltungsratsdelegierter der neu gegründeten MediaMarkt E-Commerce AG.

Beste Lebenszeiten.

Wieso erzähle ich diese Anekdote? Rückblickend war diese Zeit eine meiner besten Lebenszeiten. Ich schreibe darüber in einem Artikel über das Phänomen MediaMarkt (Link), verarbeite darin das Erlebte und ich freue mich noch heute an dieser Einmaligkeit.

Je älter ich werde - heute mit 62 Jahren -, ordne ich immer exakter ein, was im Leben zählt. Bei mir hat zum Leben stets auch das Berufsleben gezählt, und zwar massgebend. Ein glückliches Leben war demnach auch ein glückliches Berufsleben. Ich frage mich: Was macht dieses Glück aus?

Der Wechsel Stationär zu Digital war eine prägende Wendezeit. Nicht nur für mich. Für uns alle: Der Tipping-Point für das digitale Geschäftsmodell war erreicht. Die Grossflächen im Detailhandel waren für immer in Frage gestellt. Ja, der Detailhandel an sich musste und muss sich noch heute neu erfinden. Heute ahnen wir langsam, welchen Umbruch die Digitalisierung damals einleitete. Ich hatte gerade rechtzeitig den Sprung in die digitale Zukunft geschafft.

Natürlich bin ich heute froh darüber. Digital Business ist in der Tat meine Passion. Logisch auch aufgrund meiner Wurzeln in der Software-Entwicklung. Dennoch war mir noch nie so klar wie heute, wie gross doch der Unterschied ist zwischen hybriden Meetings und dem Öffnen eines Marktes am Morgen mit dem individuellen Begrüssen aller Mitarbeitenden, die man alle persönlich kennt. In den besten Zeiten waren immerhin rund 100 Menschen in diesem Unternehmen miteinander tätig.

Oder zwischen virtuellen Diskussionen - wie man etwas tun sollte und dem tatsächlich entscheidenden Tun. Miteinander am Abend die Kasse zählen und sehen, ob wir gut gearbeitet haben. Verstehen, was ein Kollektiv bewirken kann, wenn es nicht gleichgeschaltet wird, sondern sich verantwortungsbewusst seine eigene Realität schafft.

Dies klappte damals im MediaMarkt Basel prima. Ich freute mich immer über alle Mitarbeitenden, wenn ich sie sah. Im Lift, bei den Regalen, im Lager oder sonstwo: Ich hatte letztlich alle selbst eingestellt. Ich hatte niemanden im Markt, der mich geärgert hätte. Das war eher wie eine Familie, wo es auch mal ein Schäfchen gab, das es wieder einzufangen galt. Aber wenn es darauf an kam, war es vorbehaltslos mein Team, und dazu gehörten alle, egal, woher sie kamen. Unsere Mitarbeitenden stammten aus zwölf Nationen.

So verstehe ich Wahrhaftigkeit im Business.

Beziehungsechtheit.

Mein Kommentar zum Tatort-Bild? “Du musst dein Team lieben, wenn es etwas werden soll.” Das ist wohl mein Führungsprinzip für Glücklichsein im Business auf den Punkt gebracht. Jahrelang versuchte ich es wohl zu technokratisch zu verstehen. Diese Beziehungsechtheit, dieses reale Zusammensein von Menschen ist also die wahre Grundlage für gemeinsamen Erfolg. Ihr geeintes Zusammenwirken der Schlüssel dazu.

Dieses starke Fundament des dafür nötigen gegenseitigen Vertrauens fehlt heute zunehmend. So macht es wenigsten mir den Eindruck. Die Firmen suchen Kompensation mit fragwürdigen Baumumarmungsveranstaltungen, es wird unecht und die Teilnehmenden verlieren ihre Daseinsberechtigung aus den Augen. Sie vergessen, wozu sie eigentlich da sind.

Ohne es zu hinterfragen, ordnen sie das von ihnen zu erbringende Ergebnis zuerst ihren eigenen Vorstellungen unter, und setzen so ihren Leistungsbeitrag gleich selbst fest. Damit wird der Teambeitrag am Ganzen kleiner, bis er zur Weiterführung nicht mehr reicht. Diese Haltung ist bei allen feststellbar, auch bei Chefs.

Sie tun das, weil ihnen etwas fehlt. Sie suchen Kompensation für ihre Unzufriedenheit im Beruf. Doch sie schlagen den falschen Weg ein: Das Glücklichsein im Berufsleben kommt nicht von mehr Annehmlichkeit und Selbstverwirklichung. Es kommt vom Bewusstsein, Teil eines menschlichen Ganzen zu sein. Darin geschätzt zu werden und zu verstehen, dass miteinander mehr zu erreichen ist, als wenn man alleine unterwegs ist. Zu verstehen, dass das Erreichte auch massiv mehr sein kann, als das selbst Beigetragene, das selbst Erreichbare.

Menschen, nicht Systeme führen.

Die Personalabteilungen versuchen, dem entgegenzuwirken und mit ausgeklügelten 360-Grad-Feedbacks die Leute zu Verhaltensänderungen zu bewegen. Sie versprechen sich daraus, dass sie “Führung” in solch smarte Systeme delegieren könnten und vergessen dabei, dass Menschen ganz zuerst von ehrlicher, wohlwollender Anerkennung leben.

Nicht von irgendeiner Person, sondern einem Mensch, dem sie vertrauen und den sie respektieren. Geht diese Echtheit abhanden, wird die Szenerie unwirklich. Fehlt diese Orientierung, werden die Menschen orientierungslos. Die Abteilungen beschäftigen sich dann je länger je mehr mit sich selbst. Sie werden zum Selbstzweck und lösen sich in letzter Konsequenz selbst auf (oder werden aufgelöst).

Schein und Sein.

Ich schüttle ungläubig den Kopf, wenn ich beobachte, dass - zwar vehement getarnte - Holokratie auch in steuerfinanzierten Unternehmen praktiziert wird, und doch im Kern alle unglücklich damit sind. Weil sie zugleich überfordert (was soll ich hier bloss tun) und unterfordert sind (ich lass die andern mal machen). Dieser Widerspruch macht sie krank, denn sie wissen, dass sie es anders machen würden, wenn es ihre eigene Firma wäre. Wäre nicht dieser Gedanke das korrekte Mass solcher Dinge?

Die Chefs halten virtuos den Schein von Führung aufrecht, indem sie Direktiven in neue Worte verpacken, ohne dass sie zuerst in der Lage wären, einen einfachen Auftrag verständlich zu formulieren. Es hat etwas von einer Scharade, denn die Mitarbeitenden machen im Grunde, was sie wollen. Etwas wohlwollender formuliert: Sie machen, was sie glauben, das es für sie und das Unternehmen am besten wäre, weil sie nicht verstehen, was die Chefs genau von ihnen erwarten. Shareholder müssten hier sofortige Devestition einleiten. Denn, was ist risikoreicher: Selbstgefällige Chefs oder selbstgefällige Teams? Die Kombination von beidem bestimmt.

Ich behaupte, wir waren glückliche Chefs, damals im Basler MediaMarkt. Mit recht glücklichen Mitarbeitenden.

2024-62=1962. 1962-62=1900.

Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, dass seit dem Jahre 1900 mein Alter gerade zwei Mal durchlaufen wurde. Heute, im Jahre 2024, bin ich 62 Jahre alt, wurde 1962 geboren, und nochmals 62 Jahre weniger ergibt 1900.

Ziemlich harte Post für uns - man nennt uns Boomers, die das eigene Spiegelbild ausblenden und sich trotz Falten immer noch 30 Jahre jung fühlen. Naja, etwas Selbstbetrug darf sein, wenn es für einen guten Zweck ist. Doch der Körper zwickt immer etwas mehr. Ein untrügliches Zeichen fürs Altwerden, das sich nicht ignorieren lässt.

Es geht um das letzte Viertel, vielleicht das letzte Drittel des eigenen Lebens. Wir sind quasi die nächsten am Abgrund zur Unendlichkeit. Oder ihrem Gegenteil, dem Punkt der vollkommenen Selbstauflösung und einer Endlichkeit in ihrer krassesten Form. Dennoch ist dieser Zustand sehr positiv, denn nicht alle schaffen es bis hierher.

Digitalisierung belastet Gesellschaftsresilienz.

In meiner Zeit ist die Menschheit zum Mond geflogen, der Wohlstand wurde im Westen zum Massenzustand, die Ressourcen als Gott-gegeben genutzt, der Kalte Krieg überwunden, die freie Liebe praktiziert und neue Lebensmodelle verankert.

Die Digitalisierung ist gerade im Begriff, in einigen Jahren die ganze Menschheit auf den Kopf zustellen. Denn sie hat das Potential, die heutigen Paradigmen grundsätzlich aus den Angeln zu heben und die Gesellschaftsresilienz an ihre Limite zu bringen. Diese Resilienz, die bisher so vieles verkraftet und überwunden hat. Wieviel hält sie noch aus?

Ungemütliches Bevölkerungswachstum.

Gleichzeitig hat sich die Bevölkerungszahl auf der Erde seit Mitte der 70iger-Jahre verdoppelt. Im Jahre 1900 waren es weltweit 1.6 Milliarden. Heute - 124 Jahre später - sind es bereits 8.2 Milliarden. Die Weltbevölkerung hat sich also seither verfünfacht. Die Einwohnerzahl der Schweiz folgt diese Entwicklung seitdem in etwa gleich. Zuerst haben die beiden Weltkriege die Menschen ausserhalb der Schweiz stärker dezimiert. In den letzten Jahrzehnten hat die Schweiz aufgrund der Migration stärker zugelegt.

Trotzdem kümmert die Bevölkerungsexplosion die Menschheit wenig, obwohl sie und ihre schiere Anzahl ursächlich für die laufend ungemütlicher werdende Situation unseres Planeten zuständig ist. Sie verlässt sich auf die Prognosen der Wissenschaft (Link). Hoffen wir, dass sie recht behält.

Zurück zum Unmittelbaren.

Die grossen Veränderungen mögen nicht immer ermutigend sein. Die Gegenwart bekommt damit mehr Gewicht. Glücksichsein im Geschäft passiert im Unmittelbaren. Im vertrauensvollen Umfeld, mit dem man sich umgibt.

Daher ist das Team so wichtig, das man sich wählt. Du hast die Wahl! Man wählt sich sein Glücklichsein aus. Spannend, nicht? Glück ist oft etwas Willkürliches, etwas Fremdbestimmtes. Aber Glücklichsein? Möglicherweise kann mit genügend Schmerzensgeld auf Glücklichsein verzichtet werden. Aber geht das langfristig gut? Über sein Leben betrachtet bleibt der Mensch der Schmied seines Glücklichseins.

Niemand anders ist dafür verantwortlich. Vielleicht können im Westen nicht alle gleich gut diese einmalige Chance nutzen. Aber was heisst schon gut? Ist es nicht gerade eine Frage der eigenen Definition von Glücklichsein? Vielleicht sollte man seine Definition ändern, wenn man damit nicht glücklich wird.

Glücklichsein ist kein Zufall. Du musst dein Team lieben, wenn es etwas werden soll.

Epilog.

Die Denkfortführung liegt bei Ihnen. Ich hoffe, dass Ihnen dieser Impuls gefallen hat. Was ist ihr Award auf Lebenszeit? Was waren Ihre schönsten Abschiedsgeschenke? Was ist Ihre Happiness im Leben und im Beruf? Ich freue mich über ihr Feedback (Link).

Seit langer Zeit lege ich hier wieder einmal einen Artikel vor. Ich unterstütze derzeit das Leitungsteam in einem unternehmenskritischen Programm eines Grosskonzerns, das in Schieflage geraten ist. Diese Korrekturarbeit ist sehr energieraubend und lässt nicht viel Spielraum für anderes. Obwohl ich doch einiges erzählen möchte. Mit dem Tatort-Bild mache ich den Wiedereinstieg.

#leadership #team #spirit #change #happiness #success #life #mediamarkt #glücklichsein #balance

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(c) 2012: Basel, MediaMarkt, Schweiz, Foto: David Schär

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(c) 2019: Malcantone, Kanton Tessin, Schweiz, Foto: Maurizio Vogrig

 

Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig.

Experte für Digitalisierung, Digital-Business, Handel, Sales & Marketing, E-Commerce, Strategie, Geschäftsentwicklung, Transformationen, Turn Around, Innovation, Coaching, erneuerbare Energien, Medien, Professional Services, Category Management, Supply Chain Management