Situativ verwendete Führungsstile bringen den Erfolg.

Führung mit Stilbruch. Letztlich bringen situativ verwendete Führungsstile den Erfolg.

Direkte Führung sei veraltet. Kooperativ soll es bitte sein. Und Militär schon lange nicht mehr. Ein Diskurs in die Vergangenheit.

Roland Voser, 1. August 2018

Alles verändert sich, auch die Führung?

Führung von der Rolle.

Wenn sich das Umfeld tatsächlich rasch, unberechenbar, fremdbestimmt und umfassend ändert, dann stellen sich auch neue Anforderungen an die Führung. Die folgende Diskussion erhält angesichts der sich nun verändernden Führungsrollen neue Aktualität. Gedanken für Hamburger und Gestandene.

Sie gilt nach wie vor, wenn es sich um die traditionellen Organisationsformen von Chefs und ihren Mitarbeitern handelt. Solange diese noch existieren, gelten auch die folgenden Gedanken.

Gilt, solange die Hierarchien nicht ganz weggewischt werden.

Neue Organisationsformen werden diese Hierarchie-Komponente nicht mehr derart stark betonen und damit eine andere Ausprägung erhalten. Darüber werden wir separat berichten.

Kooperative Führung versus direktive Führung.

Direkte Führung in der Armee.

Wenn ich also ein Buch zu schreiben hätte, dann wäre dem Thema Führung bestimmt ein Kapitel gewidmet. Auch zur Führungsausbildung in der Armee. Natürlich ist es unpopulär, positive Seiten dieser Ausbildung abzugewinnen, denn der direktive Führungsstil gilt als überholt und ist aufgrund seines Machopotentials verständlicherweise oft verpönt. Er soll in den Chefetagen kooperativer Führung Platz machen. 

Kooperative Führung in den Chefetagen?

Aber ich will es im Folgenden trotzdem tun. Denn kooperative Führung habe ich in der Praxis nirgends durchgängig erlebt. Information ja. Involvement ja. Aber bereits bei der Begründung von Entscheidungen wird die Luft dünn. Und wenn begründen, dann primär, um die Mitarbeiter zum gemeinsamen Tragen einer Entscheidung zu bewegen.

Kooperative Führung ist die grosse Ausnahme.

Wer zahlt, befiehlt. Das ist der Normalfall.

Gemeinsame Entscheidungen finden in Tat und Wahrheit nur dann statt, wenn sie mit der Meinung des Vorgesetzten übereinstimmen: Denn jener, der die Verantwortung trägt, entscheidet auch. Analog unter gleichberechtigten Partnern, die an der gemeinsamen Unternehmung beteiligt sind und die Konsequenzen einer Entscheidung in dieser geteilten Verantwortung auch gemeinsam tragen werden.

Im Notfall greifen eingeübte Einsatzszenarien.

Es ist meines Erachtens zu einfach, die direktive Führung ausschliesslich Notfallsituationen zuordnen zu wollen, weil dort die Zeit für einen gemeinsamen, ausgewogenen Entscheidungsprozess fehlen würde. Jeder weiss, dass der Notfall nahezu ausschliesslich durch eingeübte Szenarien gemeistert werden kann, für deren planvolle Vorbereitung im Vorfeld der Notsituation durchaus genügend Zeit zur Verfügung steht.

Im Chaos funktionieren einsame Chefentscheide nur mit Glück.

Digitalisierung hat Chaos-Potential.

Im Chaos noch von Führung zu sprechen, würde ich generell zur Diskussion stellen. Ich wage zu behaupten, dass in solchen Fällen sachliche Führung hohes Misserfolgspotential beinhaltet, weil sich die Komplexität in solchen Situationen potenziert und unter Zeitdruck nicht mehr vernünftig durch ein menschliches Gehirn erfasst werden kann. Vielmehr übernehmen Intuition und Instinkt die Kontrolle über das Handeln einzelner oder - getrieben durch die Gruppendynamik - auch mehrerer. Glück entscheidet substantiell mit.

Trotzdem, die Führungsausbildung in der Armee war wertvoll.

Über den Sinn oder Unsinn der Armee an und für sich und über die Qualität der Ausbildung will ich mich hier nicht weiter äussern. Vielleicht nur, dass ich zu viel Zeit unnütz im Schweizer Militär verbringen musste. Und ich schicke voraus, dass ich meine Erfahrungen in der Armee der 80er und 90er Jahre gemacht habe. Vieles wird sich in der Zwischenzeit zum Positiven hin geändert haben.

Elemente der Führung.

Verabschieden wir uns von alten Vorstellungen.

Elemente der militärischen Führung können ins Wirtschaftsumfeld übertragen werden. Sorgfältig, angepasst und selektiv. “Befehle brüllen”, willkürliche Auftragserteilung und bedingungsloser Gehorsam sind kein Massstab für die Güte militärischer Führung. Alles Totalitäre und Manipulative hat mit guter Führung rein gar nichts zu tun und ist strikte abzulehnen.

Bei Führung geht es meines Erachtens um folgende Punkte, welche in der militärischen Ausbildung zumindest geschult werden:

1. Auftragsformulierung

Wie viele Manager in den Führungsetagen sind effektiv in der Lage, einen einfachen, mit Sinn erfüllten Auftrag zu formulieren? Damit die Mitarbeiter wissen und auch verstehen, was denn nun effektiv zu tun ist. Damit sie wissen, was die Idee ist. Damit sie wissen, wie der Plan aussieht. Damit sie wissen, wo sie ihren Kompetenzbereich ausschöpfen können und wo sie mit Einschränkungen zu kalkulieren haben.

Es sind wohl eher wenige. Oder nicht?

Auftrag und Verbindlichkeit geben den Freiraum für die Unterstellten. 

Dabei ist gerade diese klare Verbindlichkeit des Chefs für jeden Mitarbeitenden die unabdingbare Voraussetzung für sein eigenes wirkungsvolles Handeln. In der Armee lernt man dies anhand einer einfachen und schlüssigen Checkliste in der Grundführungsausbildung und nachher immer wieder von Neuem.

2. Problemlösung

Wie viele Führungskräfte sind effektiv in der Lage, einen Ist-Zustand scharf und rasch zu analysieren, den Soll-Zustand zu definieren und die Vorgehensvarianten zu dessen Erreichung zu entwickeln, abzuwägen und letztlich eine Variante begründet vorzuschlagen? Und tun es auch? Und zwar korrekt, vollständig und umfassend?

Scharfsinnigkeit und Systematik anstelle Hoffnung und Zufall.

Ich nehme an, dass es sich wohl um Ausnahmen handelt. Viele machen irgend etwas, bleiben bei der vorgefassten Meinung und/oder verlieren sich in diversen Kennzahlen, Statistiken und sonstigen Analysen und Expertenberichten und beschäftigen die Mitarbeiter mit Reviews, Progress Meetings, Wochenberichten, Massnahmenkatalogen und wiederholt zusätzlichem Informationsbedarf. Im Normalzustand wird dann agiert, wie unter dem erwähnten Chaos. Der Faktor Glück wird strapaziert. Hoffnung wird zum bekannten Prinzip.

Ohne sorgfältige Analysearbeit kann im zweiten Schritt auch kein vernünftiger Abgleich mit der mentalen Verfassung der Veränderungsbetroffenen erfolgen. Diese massgebend erfolgsentscheidenden Faktoren werden somit nicht im Vorgehensplan mitberücksichtigt.

Probleme lösen kann man lernen.

Der erfolgsversprechende Vorgehensplan umfasst konkrete Massnahmen und setzt diese unter Berücksichtigung der kulturellen Aspekte perfekt und optimiert auf einander abgestimmt auf die Zeitachse. Andernfalls reduziert sich die Erfolgschance signifikant.

In der Armee lernt man zumindest erste fundierte Problemlösungstechniken, beispielsweise in der Fachausbildung. 

3. Teamarbeit

In der Digitalisierung werden interdisziplinäre Teams Dreh- und Angelpunkt jedes Unternehmens.

Welche Führungsteams gehen vorbehaltslos miteinander an eine Aufgabe heran, teilen die Arbeit fair untereinander auf, bearbeiten die Teilgebiete aufgrund ihrer verschiedenen Fachkompetenzen gewissenhaft und vollständig, führen die Teilergebnisse miteinander unbelastet wieder zu einer Gesamtbeurteilung der Situation zusammen und kreieren effektiv und effizient miteinander ernsthaft ein unvoreingenommenes, konkretes, sachbezogenes Vorgehen?

Weil ich das so will.

Ist es die Regel? Vermutlich sagen eher die Alphatiere, vielfach ohne ausgewogene Begründung, aus dem Bauch heraus und im Schlagabtausch, wo’s lang geht ("weil ich das so will"), und die politische Grosswetterlage bestimmt die wahren Weichenstellungen - mit der latenten Gefahr, dass unnötige Verluste (un-)bewusst in Kauf genommen werden müssen, denn der Chef hat’s ja entschieden, oder die eigenen Vorteile überwiegen.

In der Armee lernt man systematische Teamarbeit in der Stabsausbildung.

4. Entscheidungsfindung

Entscheide aussitzen geht nicht mehr. Der Mitbewerber kommt dem sonst zuvor.

Welche Führungskraft entscheidet, wenn’s drauf an kommt, und wie? Wie lange werden Pendenzen verschoben, Entscheidungen ausgesessen, nach dem Prinzip Hoffnung, “dass es sich selbst” erledigt, die Liste der offenen Entscheidungen betrachtet oder schlicht die Entscheidungssituation ganz einfach ignoriert?

Wenn Führungskräfte meisterlich geworden sind, dann bestimmt wohl in dieser Disziplin. Denn nichts tun, das kann tatsächlich jeder. Oder anders herum - wer glaubt wirklich, dass basisdemokratisch in einer Firma entschieden wird? Am Ende des Abends entscheidet letztlich nur einer, und das ist der Chef, der CEO, der Inhaber der Firma.

Basisdemokratie funktioniert bei gleicher Meinung.

In der Armee lernt man, Entscheidungen unter den verschiedensten Umständen und in den unterschiedlichsten Funktionen zu treffen und übergeordnete schlicht zu akzeptieren.

So gesehen funktioniert Hierarchie in der Armee viel ehrlicher. Diese Führungsart ist auch nicht für eine Firma erfolgsverhindernd - oder will jemand ernsthaft behaupten, dass Steve Jobs letztlich über die wichtigen Dinge jeweils eine Abstimmung durchgeführt und die Entscheidung einer Vollversammlung übertragen hätte?

5. Realitätsnähe

Zeitverhältnisse entscheiden letztlich.

Wie viele Stäbe drehen und wenden Probleme monatelang hin und her, benötigen weitere Daten und Auswertungen, zusätzliche Analysen oder stufen einfach das Ganze in der Prioritätenliste zurück - obwohl die Verwirrung bei den MitarbeiterInnen immer grösser wird und die Leistung am Kunden spür- und nachweisbar abfällt?

Dann kommt endlich die Entscheidung, und jene, die sie nun ausführen sollen, müssen das Ganze innert unrealistisch kurzer Zeit mit ungenügender Vorbereitung und fehlenden Mitteln nebenbei zur normalen Arbeit miterledigen.

Kompetenz ist die Grundlage für die Entscheidungsgüte.

Und im schlechtesten Fall ist die ganze Geschichte nicht umsetzbar, weil die Kompetenz der Führungkräfte für die Entscheidung schlicht ungenügend war oder sich das Problem quasi unlösbar vergrössert hat.

"Hurrafurzgaloppübung" haben wir das früher jeweils genannt. In der Armee lernt man diesen Meccano in der Verbandsschulung kennen. Oder wie anders wäre ein Fall Swissair zu erklären?

6. Und last but not least: Menschen

Produktionsmittel Mitarbeiter reicht nicht.

Wie viele Chefs lächeln nie, tauschen sich nicht mit ihren Mitarbeitern aus, verkriechen sich in ihren Büros oder in endlosen Meetings und Workshops? Wie viele Chefs bringen kein Lob über die Lippen, bestenfalls zynische Bemerkungen? Wie viele Chefs können sich nicht ernsthaft über ein Thema unterhalten? Wie viele Chefs können nicht offen einem Mitarbeiter ins Gesicht sagen, wenn etwas nicht stimmt?

Sondern diskutieren den Missstand lieber mit anderen, als mit den effektiv Beteiligten?
Wieviele Chefs haben ihre MitarbeiterInnen noch nie persönlich ausgebildet?
Ausbildungsmethodik wird den angehenden militärischen Führungskräften ebenfalls mit auf den Weg gegeben.

Triage von Stärken und Schwächen. Fürsorge für Schwache und Starke.

In der Armee kann man sehr rasch eines lernen: Dass es viel zielführender ist, die eigenen Stärken und damit jene seiner Mitarbeiter gezielt zu verstärken und ehrliche Anerkennung und Respekt seinen Leuten entgegenzubringen.

Vielmehr, als ständig an Unzulänglichkeiten und Fehlern rumzumäkeln und sich an den Schwächen aufzuhalten.

Ich habe geschrieben “Schwächen”. Nicht “Schwache”. Im Militär kann man auch Fürsorge und das Übernehmen von Verantwortung für andere lernen. Nirgends sonst in so jungen Jahren.
Fürsorge für die Menschen und die Sache.

Diesen Charakterzug habe ich in den letzten 30 Jahren bei Chefs doch etwas vermisst. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Fazit.

Am Schluss ist es mit jeder Ausbildung immer dasselbe. Der Schüler entscheidet selbst darüber, wie wertvoll sie für sein Leben sein wird.

Und - eine militärische Führungsausbildung ist selbstverständlich kein Muss. Es empfiehlt sich aber, den erwähnten Elementen in jedem Fall mit geeigneten Mitteln genügend Aufmerksamkeit zu schenken, weil sie für erfolgreiche Führung unverzichtbar sind. 

Vielleicht noch so viel: Die Ausbildung an und für sich soll Spass machen. Zertifikate und Zeugnisse bilden nicht. Es ist der Inhalt. Das Erlebnis. Die Erfahrung.

Bei der Führung ist es der Respekt an Menschen und die Freude an der Sache.

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(c) 2018: Weg zum Aussichtspunkt, Monte Brè, Kanton Tessin, Schweiz. Foto: Maurizio Vogrig

 

Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig.

Experte für Digitalisierung, Agile SW-Entwicklung, Digital-Business, Handel, Sales & Marketing, E-Commerce, Strategie, Geschäftsentwicklung, Transformationen, Turn Around, Innovation, Coaching, erneuerbare Energien, Medien, Professional Services, Category Management, Supply Chain Management