Beat Jans und seine Chefin.

“«Jetzt geht’s los»: Büezersohn Jans wird Bundesrat – das Drehbuch” - AZ 14.12.2023.

Die vereinigte Bundesversammlung hat gewählt: Beat Jans wird neuer Bundesrat und tritt die Nachfolge von Alain Berset an, der nach 12 Jahren den Bundesrat verlässt. Wieso es sich aus bürgerlicher Sicht lohnt, dem neuen SP-Bundesrat ersten Kredit mit auf den Weg zu geben. Denn die Wahl signalisiert den Beginn einer Erneuerung. Nicht ganz gefahrlos zwar. Aber Veränderungen bergen neben Chancen immer auch Risiken.

Roland Voser, 14. Dezember 2023

Zuerst einmal zur aufschlussreichen Hintergrundgeschichte.

Die hier verlinkte Hintergrundgeschichte der AZ ist etwas vom Besten, was bisher zur diesjährigen Bundesratswahl und über Beat Jans zu lesen war. Der Artikel ist sehr lesenswert, denn er gibt einen einzigartigen Einblick in die Knochenarbeit von Bundesratsmachern und die emotionalen Höhen und Tiefen ihres Kandidierenden, der sich um das höchste Exekutiv-Amt der Schweiz bemüht. Der Bericht ist sachlich, beobachtend und damit umso überzeugender, als dass es üblicher Meinungsjournalismus ist.

Dann seine relevanten Mitbewerber Pult und Jositsch.

Beginnen wir nicht mit Beat Jans, sondern mit seinen direkten Mitbewerbern Jon Pult und Daniel Jositsch.

Eine interessante Erfahrung hat wohl Jon Pult gemacht. Der Bündner Senkrechtstarter hatte sich der Wahl gestellt und stieg mit jugendlicher Selbstüberzeugung in den Wahlkampf ein. Doch - was ist gnadenloser als eine anonyme Wahl von so grosser nationaler Bedeutung, am Schluss mit hartem Verdikt über die eigene Person? Kurzum: Der noch junge Mann kann froh sein, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein und die Kravatte wieder ablegen zu dürfen. Das ist gut so.

Was kann man zu Daniel Jositsch sagen? Keine Mimik, kein Kommentar. Die Medien zeigen ihn nicht anders als das letzte Mal anlässlich der Bundesratswahl 2019: Undurchsichtig und nicht mehr einschätzbar bleibt er jetzt in Erinnerung. Seine Haltung und sein Verhalten sind für Aussenstehende unverständlich. Möglicherweise hat er so seine politische Karriere auch vorzeitig beendet: Wer würde einem so irritierenden Kandidaten seine Stimme geben? Wohl niemand, der damit nicht eine eigene Agenda verfolgt. Oder hat er einfach grenzenlosen Kredit? Vielleicht folgt bald seine eigene schlüssige Erklärung.

Und jetzt also hat es dieser Beat Jans geschafft.

Beat Jans sei ein Ultralinker. Ein Bürgerschreck in linker Mission. Einer, der sich die letzten Wochen systematisch, berechnend und akribisch im Bundesrat installiert hat. Ein Meisterstück in der Tat. Mit höchster Aufmerksamkeit und äusserster Disziplin hat er offenbar sein Projekt ich-werde-Bundesrat realisiert. Gegen alle Widrigkeiten schaffte er es letztlich. Vielleicht war dabei seine eigene Emotionalität sein einziger wahrer Feind. Denn Linke sind in der Regel auch keine Freunde von Disziplin. Jans schon. Ein ETH-Studium schliesst man nicht erfolgreich mit halbem Engagement, lustigem Studentenleben und naivem Politisieren ab. Es braucht vielmehr Substanz: Eine Vision versehen mit einer gehörigen Portion Leidenschaft. Daraus folgt die Kraft für die tägliche Mission. Vielleicht sogar in Demut für diese grosse Sache, die ihn stets angetrieben hat. Was auch immer es ist.

Die Bürgerlichen wählten aus Prinzipientreue ultralinks.

Wenn so einer in die Regierung kommt, dann wird das Spuren hinterlassen. Wetten, dass sich die vereinigte Bundesversammlung nicht wirklich bewusst war, wen sie da ins Amt wählt? Hätte es nicht einer sein sollen, an dem man sich nicht zukünftig die Zähne ausbeissen muss? Doch gerade seine Hartnäckigkeit, gepaart mit seinen Emotionen, machen ihn, wenn nicht unberechenbarer, dann zumindest unkontrollierbarer.

Es ist die Ironie des Schicksals, dass gerade die Bürgerlichen, allen voran die SVP mit ihrer Überloyalität zum eigenen Ticketsystem, zur veralteten Zauberformel und der damit verbundenen unbedingten Systemtreue, wohl dem bisher linksten aller Bundesräte in den Bundesrat geholfen hat. Doch die SP hat sich möglicherweise auch zu früh gefreut: Der Partei wird es später dämmern, dass sie den Abschied der Zauberformel eingeläutet hat, indem sie einen Bundesrat aufs Ticket gesetzt hat, dessen DNA massgeblich von Nachhaltigkeit, Umwelt und Ausgleich geprägt ist und so grün gefärbt einen klassischen roten Bundesratssitz aufgegeben hat, wie er beispielweise mit einem Gewerkschaftsboss hätte besetzt werden können.

Trotzdem ist es gut so.

Öko-Bauer, Arbeitersohn, AKW-Gegner, EU-Freund, Regierungspräsident des Halbkantons Basel-Stadt. Ein erfahrener Intellektueller mit Bodenhaftung, zweifellos. Er wird die Bürgerlichen auf Augenhöhe herausfordern. Beat Jans ist fraglos ein stärkeres Kaliber als die heute regierenden Peinlichkeiten Deutschlands. Wie auch immer, seine Emotionalität wird sich noch besser seiner nun wachsenden Souveränität unterordnen.

Beat Jans vermittelt das Bild eines Inklusiven. Einer, der für die Menschen da ist. Einer, der seiner “Chefin” - der Bevölkerung - dienen will. Nicht unbedingt dem Souverän, ist die verstandene Feinheit. Diese Haltung hat Sprengkraft. Sie ist die eigentliche Kampfansage an die Bürgerlichen, denn damit stellt er den Souverän in Frage, damit das System an sich und verabschiedet sich zumindest verbal von den geltenden Konventionen. Ob er diese Haltung durchhalten kann? Oder gleicht er sich an den Gesamtbundesrat an, so wie er bereits konform Anzug und Kravatte trägt? Doch ist er gut sekundiert: Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (SP) und Ständeratspräsidentin Eva Herzog (auch SP) kommen auch aus der Nordwestschweiz. Es scheint, als ob die SP-Nordwestschweiz das Bundeshaus übernehmen wollte.

Unabhängig davon: Für eine konstruktive Veränderung im Land sind im Bundesrat jetzt gehaltvolle Kontrapunkte nötig, weil zukünftig alles schwieriger werden wird, nicht einfacher. Weil daher die heutigen Rezepte nicht mehr genügen werden, sondern es Neue braucht. Das ist die effektive Zeitenwende, die sich ankündigt. Keine Revolution, aber eine Evolution, die gemeinsam getragen wird, und dazu benötigt es jetzt alle. Provokationen, Plattitüden und Parolen reichen nicht mehr. Dazu ist diese gemeinsame bundesrätliche Konkordanzregierung unabdingbar, weil nur sie die Inhalte, mit allen Aspekten versehen, zu nützlichen Lösungen und tragfähigen Vorgehen führen kann. Die heute zu unsystematische Inhaltlichkeit in der Schweizer Politik ist gegenüber den durchaus jahrzehntelang bewährten systematischen Abläufen einer zu grossen Unwucht unterworfen (mehr dazu hier), als dass Courant Normal angesagt wäre.

Doch dazu müssen auch alle Meinungen und Haltungen im Gremium vertreten sein. Daher war Beat Jans die richtige Wahl. Mit ihm sind die Anliegen der Bevölkerung nach Nachhaltigkeit erstmals glaubhaft abgedeckt. Es ist jetzt auch erstmals die richtige Zeit dazu.

Beat Jans ist der erste grüne Bundesrat. Das ist eine gute Botschaft für die Bürgerlichen.

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(c) 2022: Cademario mit Blick am Gazzirola vorbei in Richtung der italienischen Alpen, Kanton Tessin, Schweiz, Foto: Maurizio Vogrig.

 

Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig.

Experte für Digitalisierung, Agile SW-Entwicklung, Digital-Business, Handel, Sales & Marketing, E-Commerce, Strategie, Geschäftsentwicklung, Transformationen, Turn Around, Innovation, Coaching, erneuerbare Energien, Medien, Professional Services, Category Management, Supply Chain Management