Essay über die Götterdämmerung der Credit Suisse.

Götterdämmerung am Paradeplatz. Nicht nur auf Druck des Auslands haben Bund, SNB und FINMA mit Notrecht zu einer Fusion von UBS und CS gedrängt. Eine Betrachtung eines Unbeteiligten.

Wieder muss eine Bank gerettet werden, weil sie systemrelevant ist. Dieses Mal ist es die Credit Suisse. Die nach der Finanzkrise eingeleiteten Vorbereitungen von Bund und Politik haben nicht gegriffen, die ganze Arbeit für eine Too-big-to-fail-Regulation ist offensichtlich wertlos. Die Diskussion der letzten Jahre hat sich damit nicht um die tatsächlichen Ursachen gedreht, sondern in Detaildebatten verloren. Ein digitaler Bankenrun hat die CS zuletzt vollständig in den Schlamassel gerissen. Die aktuelle CS-Führung hat es versäumt, rechtzeitig das Online-Banking ausser Betrieb zu nehmen, um wenigstens wieder kurzfristig die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen. Die Schweizer Finanzministerin musste innert kürzester Zeit zusammen mit SNB und FINMA die Rettung orchestrieren, denn sonst hätte die CS zum Wochenstart ihre Bilanz deponieren und Konkurs anmelden müssen. Jetzt übernimmt ein alter Investment-Banker die zukünftig noch viel grössere UBS-CS und äusserte an der Medienkonferenz bereits weitere grosse Wachstumspläne. Tickt sein Herz genügend für ein überblickbares, traditionelles Schweizer Geschäft? Versteht er die Digitalisierung und damit die neu nötige Agilität im Bankengeschäft? Steht er für faire Vergütungsmodelle und wird er die entmachteten Aktionäre und ihre Interessen wieder installieren? Wie integer wird er das fusionierte Unternehmen führen? Und vor allem: Kann er kulturellen Change und rationale Transformation erfolgreich umsetzen? Wir werden sehen.

Roland Voser, 21. März 2023

Inhalt.

1. Plötzlich ist eine Lösung da. Nur, für welches Problem?

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Es ist erstaunlich. Vor einer Woche war die Credit Suisse (CS) scheinbar noch eine “solide” Bank (zumindest das Schweizer Geschäft). Gut, es gab bereits im Oktober 2022 bei den Kunden einen Vertrauensverlust, der aufgrund digitaler Kanäle wie Social Media und Online-Banking zu unkontrollierten Vermögensabflüssen geführt haben soll. Die Bank konnte diese noch selbst handhaben, und die FINMA (Finanzmarktaufsicht) sah offenbar keinen Handlungsbedarf für die erneut unter Druck geratene Bank.

Dann, am letzten Mittwoch, dem 15.3.2023, benötigte die Bank überraschenderweise zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zusätzliche Liquidität (flüssige Geldmittel), die sie von der SNB (Schweizerische Nationalbank) umgehend in der Höhe von 50 Milliarden Schweizer Franken erhielt. Dazu die Meldung, dass der Mehrheitsaktionär nicht zusätzliches Geld einschiessen will. Darauf Tage der Ungewissheit und Gerüchte. Bis hin zur zweimal verschobenen und umso denkwürdigeren Medienkonferenz vom Sonntagabend, dem 19.3.2023, um 19:30 Uhr und damit zur besten Sendezeit.

Es treten vor die Öffentlichkeit: Bundespräsident Alain Berset, Finanzministerin Karin Keller-Sutter, FINMA-Präsidentin Marlene Amstad, Verwaltungsratspräsidenten der UBS, Colm Kelleher, und der CS, Axel P. Lehmann. Sie geben nichts weniger als das Ende der Credit Suisse bekannt. Die 1856 von Alfred Escher zur Finanzierung des Schweizer Schienennetzes gegründete Bank, einst leuchtendes Wahrzeichen der Schweizer Wirtschaft, muss eiligst nach 167 Jahren vor den Augen der Welt zu Grabe getragen werden.

Erstaunt fragt man sich, was da gerade passiert. Wiederholt sich die Geschichte mit der Finanzkrise von 2008 und der UBS, zu deren Rettung die Schweiz aufgrund deren Unternehmensgrösse genötigt wurde? Werden wir gerade Zeugen eines dramatischen Schweizer Systemversagens? Wieso muss nun erneut der Staat eingreifen? Was ist das Problem? Hat die CS ein Problem? Haben wir ein Problem? Was ist überhaupt los?

2. Die UBS übernimmt die Credit Suisse zu einem unglaublich günstigen Preis.

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Offenbar brennt das Walhall der Bankengötter schon lichterloh, denn die Delegation präsentiert eine Notfall-Rettung:

  • Übernahme der CS durch die UBS für sehr günstige 3.25 Milliarden Schweizer Franken (gemäss Financial Times -.82 Rappen pro Aktie, Anzahl Aktien 3.94 Milliarden Stück). 2007 hatte die Bank noch einen Wert von 100 Milliarden Schweizer Franken, in den letzten Monaten von noch vielleicht 10 bis 20 Milliarden und aktuell von 7 Milliarden Schweizer Franken. Die Aktionäre verlieren also, vom Schweizer Staat machtlos gemacht, den grössten Teil ihres investierten Kapitals.

  • Zusätzlich erhält die UBS offenbar ohne weitere Bedingungen eine Staatsgarantie von 9 Milliarden Schweizer Franken für aus diesem Vorgang möglicherweise entstehende eigene Verluste.

  • Ferner stellt die SNB den beiden Banken 250 Milliarden Liquidität zur Verfügung. Nachdem zuerst während Tagen von 200 Milliarden die Rede war, erhalten UBS und CS also in Kombination von der SNB eine Anleihe bzw. ein Darlehen von tatsächlich 250 Milliarden in Fremdwährungen, offenbar ohne jegliche Auflagen und ohne die für Normalsterbliche sonst üblichen Konditionen. Höchstwahrscheinlich in US-Dollar, um den US-Markt im hochrisikoreichen CS-Investmentbanking umgehend zu bedienen und wirkungsvoll zu beruhigen.

  • Hinzu kommen 16 Milliarden Coco-Pflichtwandelanleihen, die ebenfalls ins Eigenkapital der Bank übergehen und somit dem Gläubiger nicht mehr verzinst oder zurückbezahlt werden müssen. Die Gläubiger verlieren ihre so der Bank gewährten Darlehen. Für sie ist das ein Totalausfall ihrer ganzen Investition.

  • Und: Jetzt hat die Schweiz eine Too-too-too-big-to-fail-Bank.

Damit dieser Deal durchgezogen werden konnte, haben Bundesrat und Behörden mit Notrecht

  1. den Aktionären das Recht verweigert, über das Kaufangebot zu entscheiden,

  2. den Coco-Gläubigern ihre Anleihen enteignet und

  3. in letzter Minute gröbste Verwerfungen im nationalen und internationalen Bankensystem verhindert.

Die Welt ist baff.

Die CS-Aktionäre aus dem nahen Osten werden sich im Anschluss dazu wie folgt äussern: “Sie machen sich über Diktaturen lustig, und dann können Sie das Gesetz übers Wochenende ändern. Was ist jetzt der Unterschied zwischen Saudi-Arabien und der Schweiz?”

3. Kann man das alles verstehen?

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Möglicherweise ist damit die Lösung nicht ganz richtig widergegeben - doch der Blick in die Presse zeigt: Niemand hat den Deal wirklich auf Anhieb verstanden und alle Komponenten erfasst. Klar ist: Bundesrat und Behörden haben mit Notrecht eine Lösung durchgesetzt - nur, für welches Problem eigentlich? Um eine grundsolide Bank zu retten? Wieso wurde vom Bund mit Notrecht eine “private Lösung” durchgesetzt? Wieso betonte Bundesrätin Keller-Sutter wiederholt, dass es sich um eine private bzw. kommerzielle Lösung handelt und keine Rettung des Bundes vorläge? Wie ist das zu verstehen, wenn gleichzeitig der Bund die Federführung übernommen und die Lösung orchestriert hat?

Eine gute Regel ist, dass, wenn etwas nicht auf Anhieb verständlich ist, die Sache möglicherweise tatsächlich nicht zu verstehen ist, weil sie keine rationale Grundlage hat. Es stecken in diesen Fällen andere emotionelle Motive oder politische Auslöser dahinter.

Oder, der wahre Grund musste verschwiegen werden und die Lösung hätte ohne Notrecht nicht oder zumindest nicht genügend rasch realisiert werden können. Hauptargument des Bundesrates dafür war: Vor Öffnung der Aktienmärkte müsse die Lösung kommuniziert werden, sonst könnte die Situation nicht nur bei der CS, sondern in der ganzen Branche und möglicherweise weltweit im Bankensektor ausser Kontrolle geraten. Das wäre in der Tat ein Schreckensszenario sondergleichen. Die Welt würde stillstehen und anschliessend in eine Weltwirtschaftskrise stürzen.

4. Wäre eine genauso gute Lösung besser gewesen?

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Nur - wieso entstand dieser Zeitdruck? Waren er und somit dieser sofortige Handlungsbedarf unter Hochdruck gerechtfertigt? Und - war eine Lösung nur mit Notrecht möglich?

Ja und Nein.

Denn eine Alternative wäre gewesen, dass die SNB den Aktionären eine Übernahme beispielsweise für 4.- Franken angeboten hätte, also zu jenem Kurs, den die Saudische Nationalbank damals bezahlte. Die SNB hätte somit für die CS 16 Milliarden Schweizer Franken bezahlt, das Vertrauen wäre in den Finanzplatz Schweiz genauso gut wieder hergestellt gewesen und die Bank hätte genügend Zeit gehabt, eine vernünftige Strategie zu erarbeiten, diese umzusetzen und damit die Bank, die die ganze Zeit durchaus privatwirtschaftlich operiert hätte, wieder zukunftstauglich aufzustellen. Im Nachgang hätte sie zurück an die Börse gebracht werden können. Der Finanzplatz Schweiz wäre intakt geblieben. Es hätte kein Notrecht benötigt, die Probleme in den USA wären nicht grösser oder kleiner als nun mit der UBS-Lösung gewesen, die UBS wäre nicht mit Risiken belastet worden, die Schweiz hätte die Wahl zwischen 2 international tätigen Grossbanken gehabt. Wo wären Nachteile zur aktuellen Lösung? Womöglich die erwähnten bisher nicht vollständig erfassbaren CS-Risiken oder eine potenziell fragwürdige staatliche Führung der Bank?

5. Die Schweizer Too-big-to-fail-Regel versagt kläglich.

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Die andere Alternative wäre der Konkurs der CS gewesen. Wenn die CS offensichtlich pleite war, dann soll sie wie jedes andere normale Pleite-Unternehmen in den Konkurs gehen. Es gilt offenbar nicht für alle dasselbe Recht - was an sich für die Schweiz höchst stossend ist (bei Überschuldung muss ein Unternehmen normalerweise gemäss OR Art. 725b eine Zwischenbilanz erstellen und das Gericht benachrichtigen). Vermeintlich systemrelevante Unternehmen sollen mit sogenannten Too-big-to-fail-Regeln geordnet aus der Schieflage gebracht bzw. systemrelevante Teile aufrechterhalten werden und der Rest in Konkurs gehen.

Es ist ja klar, dass solche Regeln international funktionieren müssen, wenn das Unternehmen international tätig ist. Dies tun sie aber offensichtlich nicht. Denn im US-Markt bläst die US-Finanzmarktaufsicht den Marsch und nicht eine Schweizer Fernsteuerung. Die Schweiz kann, ohne das Ausland zu konsultieren, keine Regeln aufstellen, die auch das Ausland derart einschneidend betreffen. Nach gesundem Menschenverstand müssen solche Regeln international ausgehandelt und für alle geltend gemacht werden. Wie naiv sind hier Bund und Politik ans Werk gegangen? Sie sollen offenbar während 15 Jahren daran gearbeitet haben, und nun - beim ersten Fall - kann das Verfahren nicht angewendet werden, ja es versagt vollends!

6. Ein unkontrollierter Untergang der CS wäre eine Katastrophe.

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Denn, was wäre in Anwendung der Regel passiert? Das offenbar gesunde Schweizgeschäft der CS wäre abgespalten worden und die kritischen Teile des US-Geschäfts wären Konkurs gegangen (notabene war damals 2008 auch das Schweizgeschäft der UBS ebenfalls kerngesund).

Das hätten die Amerikaner nie zulassen können, weil möglicherweise ihr Finanzplatz derart schwach aufgestellt ist, dass die soeben erlebten drei Bankenpleiten - immerhin ist die Silicon Valley Bank die 16 grösste US-Bankengruppe - mit einem zusätzlichen CS-Konkurs das Bankensystem in den USA aus den Angeln hätte heben und damit das Bankenwesen weltweit in Schieflage bringen und eine Weltwirtschaftskrise verursachen können.

Die Anwendung der Too-big-to-fail-Regel hätte in den USA einen Konkurs der CS und damit deren unkontrollierten Untergang verursacht.

Der Druck auf die Schweiz aus den USA in der Persona der Finanzministerin Janet Yellen, sekundiert vom britischen Finanzminister Jeremy Hunt, muss dieses Wochenende enorm gewesen sein. Verständlicherweise, denn dilettantisch funktioniert globales Banking nicht.

Wahrscheinlich haben die USA der Schweiz auch gedroht: Die Schweiz wäre Gefahr gelaufen, dass sie durch die USA vom Dollar entkoppelt und damit zusammen mit der Schweizer Wirtschaft in den Staatsbankrot getrieben worden wäre. So gesehen ist verständlich, dass an der Medienkonferenz mehr Englisch gesprochen wurde als üblich: Die Amerikaner sollten die wichtigsten Botschaften sicher verstehen können.

Ebenso klar ist, dass dieser massive Druck seitens des Bundes und der Nationalbank ungeschmälert an VR und CEOs der beiden Banken weitergegeben wurde. Sie wurden mit Nachdruck zu einer Lösung gedrängt, um sowohl Schweizer als auch globale Bankeninteressen zu schützen. Damit kommt die Vermutung auf, dass die CS am Montagmorgen tatsächlich die Bilanz hätte deponieren müssen und dass unter diesem Gesichtspunkt der erwähnte Zeitdruck unumgänglich war, denn sonst hätte der Schweizer Finanzplatz irreparablen Schaden genommen. So gesehen muss man dieser Delegation dankbar sein, dass sie grösseren Schaden von der Schweiz und dem Bankenplatz abwenden konnte.

Die Credit Suisse war also am Ende.

7. Habgier ist eine Todsünde. Auch in Unternehmen.

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Wie der Tagesanzeiger aus den Geschäftsberichten errechnet hat, soll die letzten 10 Jahre die CS einen kumulierten Verlust von 3 Milliarden Schweizer Franken erwirtschaftet haben. Im gleichen Zug sind 32 Milliarden an Boni den ManagerInnen in der CS ausbezahlt worden. Wofür denn, bitte? Was soll einem dazu noch einfallen? Wer findet das allen Ernstes normal?

Leuten, die kein unternehmerisches Risiko tragen, gleichzeitig ausschliesslich die Erfolge zu vergolden, ist unternehmerisch verantwortungslos. So kriegt man nicht die besten Mitarbeitenden an Bord, sondern die gierigsten Profiteure. Über die Jahre werden es natürlicherweise und so systembedingt immer mehr. Ein nun nötiger Kulturwandel bedeutet, dass diese Leute in letzter Konsequenz das Unternehmen verlassen werden müssen, denn sie werden mit ihrer DNA in einer neuen Kultur der unternehmerischen Verantwortung nicht glücklich werden. Das ist ein so grosser Kraftakt, der eine gesunde Bank wie die UBS normalerweise nicht belasten sollte.

Selbst der Casino-Vergleich hält hier nicht stand, denn dort werden Verluste genauso konsequent aufgebürdet, wie Gewinne gewährt. Es ist ein Trugschluss, dass kurzfristig durch Glücksritter verursachte Profite die Aktionäre langfristig glücklich machen. Natürlich glauben viele Aktionäre, dass sie nur zum richtigen Zeitpunkt ein- und aussteigen müssen, um dann die richtig satten Gewinne einzufahren. Sollen sie das tun, aber solche Vorgänge dürfen nie mit Steuergeldern abgesichert und so notfalls finanziert sein. Diese Versicherungslösung führt für den Versicherer früher oder später zum bösen Erwachen, weil sie unberechenbar ist.

Es kann nicht sein, dass ManagerInnen nur an den Gewinnen partizipieren und die Verluste den Steuerzahlern überlassen. VerwaltungsräteInnen und Geschäftsleitungen der CS, denen das Unternehmen nicht massgebend gehörte, führten also nicht genügend ganzheitlich unternehmerisch, sondern waren massgebend durch finanzielle Eigeninteressen gesteuert. Aus Compliance-Sicht offenbaren sich hier gefährlichste Interessenkonflikte.

Es tun sich Abgründe auf, wenn Brady Doughan bei der CS 2010 satte 90 Millionen Bezüge kassierte. Wieviel der auch aufgrund seines Missmanagements entstandenen Verluste wird er wieder ans Unternehmen zurückbezahlen? Die Finanzkrise von 2008 war gerade überstanden, und schon ging der Boni-Tanz bei der CS wieder seinen absurden Gang. Notabene musste die CS damals im Gegensatz zur UBS nicht gerettet werden, weil Katari und Saudis deren Finanzlöcher stopften - bei der CS herrschte also kein besseres Geschäftsgebaren als bei der UBS.

8. Die Entmachtung der Aktionäre.

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Natürlich waren verantwortungslose ManagerInnen und unfähige VerwaltungsräteInnen bei der CS nach der Ära Oswald Grübel anscheinend die Regel und die Ursache, dass nun alle, auch die vielen Kleinanleger, Verluste einfahren und der Staat, also die Steuerzahlenden, skandalöserweise erneut kurzfristig Geld zur Verfügung stellen müssen, ohne dass sie etwas dazu zu sagen hätten.

Es ist auf den ersten Blick unverständlich, wieso trotz jahrelang schleichendem Niedergang der Bank und in ihrer zur Normalität gewordenen Rolle als Bussensammlerin die Top-Manager solch exorbitante Saläre und Boni beziehen konnten. Die CS wurde offensichtlich von ihren Managern regelrecht ausgenommen: Die Credit Suisse war auch nach der Finanzkrise ein vom Management installierter und von den Aktionären legitimierter Selbstbedienungsladen.

Ein solcher Geschäftscharakter ist ja an sich nicht illegal, aber das System der Aktiengesellschaft wurde damit pervertiert: Mit rund 4 Milliarden Aktien hat sich die Aktionärsmacht faktisch pulverisiert, und derart zersplitterte Interessen entfalten keine Kraft mehr. Die Aktionäre wurden mit dieser sehr hohen Anzahl Aktien durch die Aktienherausgeber und somit das Management durchaus systematisch und wohl gezielt entmachtet.

Das Aktionariat der CS hat aktuell 4 grössere Aktionäre, die je mehr als 3% und zusammen knapp 1/4 des Aktienkapitals halten: BlackRock, Inc. mit rund 4% (haben vor dem Showdown auch ein Übernahmeangebot von 5 Milliarden für die CS abgegeben), Olayan Group und Qatar Holding LLC mit je rund 5% und Saudi National Bank mit knapp 10% (deren CEO hat mit seiner Aussage vom Mittwoch, dass seine Bank keine weiteren Mittel in die CS mehr einschiessen werde, der CS wohl den letzten Stoss in den Abgrund versetzt).

Den Rest der Aktien werden Tausende von Aktionären halten. Diese breite Diversifikation führte dazu, dass die Aktionäre faktisch nichts mehr zu bestimmen hatten - ihre Interessen neutralisierten sich - und die Bank somit jahrelang durch Verwaltungsrat und Management defacto eigenmächtig geführt wurde. Die Mehrheit der Aktionäre wollte wohl auch ausschliesslich mit ihrem Wetteinsatz mit am Erfolg der Bank partizipieren. Nur wurde dieser Unternehmensgewinn massiv durch die überzogenen Vergütungen ans Kader der Bank zuerst reduziert bzw., wie der Tagesanzeiger aufzeigt, die Gewinne wurden von Managern - man kann es nicht anders bezeichnen - in die eigene Tasche gesteckt und ihre Geldgeber - die Aktionäre - mit folglich geradezu lächerlich tiefen Renditen bzw. Dividenden abgespeist.

Diese Motivation mit Vollzug grenzt an ungetreue Geschäftsführung. Immerhin haften Verwaltungsräte für dieses Delikt mit ihrem persönlichen Vermögen. Die Bank an die Wand fahren, ist an sich noch kein Vergehen. Wenn andererseits systematische, persönliche Bereicherung damit einhergeht, kann sich die Betrachtung ändern.

9. Diese Systemrelevanz muss endlich wirksam in den Griff genommen werden.

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Der in den 90iger-Jahren entstandene Grössenwahn der globalen Tätigkeit von Schweizer Traditionsfirmen hatte bei der Swissair mit der Hunter-Strategie unter der Beteiligung von CS-Bankern zum Totalausfall geführt. Eine ähnliche Tragik erlebte die ABB mit Percy Barnevik, der letztlich mit seiner überexpansiven Firmenkaufstrategie und seinem Abgangsentschädigungsexzess für den Niedergang der einst stolzen ABB/BBC verantwortlich war.

Die CS hat wohl ihren Heimmarkt verstanden und wurde für die Schweizer Ausfallsicherheit von Einlagen weltweit geschätzt. Auch die grossen Schweizer Finanzinstitute wollten neu in einem Markt mitspielen, in dem ihre Tugenden der Stabilität und Beständigkeit nicht wirklich gefragt waren: Vielmehr war Agilität erforderlich. So haben sich US-Banken auch längst aus dem Greensill-Debakel zurückgezogen gehabt, während die CS offensichtlich hängen blieb.

Daraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

  1. Systemrelevante Unternehmen dürfen nur beschränkt ausschliesslich privatwirtschaftlich geführt werden, weil sie nicht nur Eigeninteressen, sondern auch Interessen der Schweiz vertreten müssen.

  2. Systemrelevante Unternehmen dürfen keine Bezüge für das Management und Mitarbeitende vorsehen, die ausschliesslich auf der Realisierung von Chancen begründen und das Vermeiden von Risiken ausblenden, weil sonst die Steuerzahlenden das Totalausfallsrisiko tragen.

  3. Systemrelevante Unternehmen müssen ihr internationales Geschäft in eine eigenständige Unternehmung auslagern, die maximal via Aktienbesitz mit dem Schweizer Geschäft verbunden ist, weil die ausländische Rechtssprechung die Unternehmen existenziell gefährden können.

  4. Systemrelevante Unternehmen müssen ein überblickbares Aktionariat aufweisen, worin die Aktionäre ihre Interessen in die Unternehmensführung einbringen und ein relevantes Gegengewicht zu den Interessen des Top-Managements darstellen können.

10. Die Schweiz soll vorsorgen und für Fusion und Transformation einen Beirat installieren.

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Ein Tweet soll die CS in den Abgrund gestossen haben? Das Online-Banking hat einen digitalen Bankrun verursacht? Und für beide Fälle hat die Bank keine Vorkehrungen getroffen? Wie planlos wurde dieses Finanzinstitut geführt? Oder ist der Bankensektor generell im digitalen Kindergarten stecken geblieben?

Dazu ein Beispiel am Rande: Die Online-Firmenkonto-Eröffnung über mehrere Seiten bei einer namhaften Schweizer Bank verlangte abschließend, dass einem Kundengespräch zugestimmt würde. Die fragliche Bank hielt dann jedoch den von ihr verlangten Termin nicht ein, und die online erfassten Kundeninformationen und umfangreichen Firmenangaben konnte sie in der Folge in ihrem Informatik-System auch nicht mehr finden. Diese Bank hat von Digitalisierung offensichtlich gefährlich wenig Ahnung oder ist ganz einfach zu wenig resilient aufgestellt, ihre Website funktioniert nicht und sie verliert Daten. Wie sollen solche Banken verstehen, wie ein digitaler Bankrun funktioniert und wie digitales Banking aufgezogen werden muss? Wie sollen solche Banken den nötigen kulturellen Wandel schaffen und sich im internationalen Geschäft zukünftig behaupten können?

An der Medieninformation vom besagten Sonntagabend gab der VR-Präsident der UBS Colm Kelleher (während 30 Jahren Investment-Banker bei Morgan Stanley) bereits Wachstumsparolen von sich, obwohl seine Bank dazu schon wieder viel zu gross ist. Versteht Mr. Kellerher, wie eine Schweizer Bank für die Zukunft aufgestellt sein muss? Tickt sein Herz genügend für ein überblickbares, traditionelles Schweizer Geschäft? Versteht er die Digitalisierung und damit die neu nötige Agilität im Bankengeschäft? Steht er für faire Vergütungsmodelle und wird er die entmachteten Aktionäre und ihre Interessen wieder installieren? Wie integer wird er das fusionierte Unternehmen führen? Und vor allem: Kann er kulturellen Change und rationale Transformation erfolgreich umsetzen?

Es wäre für die Schweiz vorsorglich empfehlenswert, wenn sie einen Beirat für die bevorstehende Fusion von UBS und CS installieren würde, der die Transformation begleitet und solange bestehen bleibt, bis sämtliche allfällige Staatshilfen zurückbezahlt sind.

Denn wir haben ein Change-Problem. Die Götterdämmerung kündigt trotzdem eine neue Epoche an.

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smartmyway unterwegs.

(c) 2019: Abendblick zum Monte Tamaro vom Monte Bar, Kanton Tessin, Schweiz.
Foto: Roland Voser

 

Seit 2018 Chief Editor, Mitbegründer, Verwaltungsrat und Teilhaber von smartmyway, Autor, Coach, Mentor und Berater. Vorher als Geschäftsführer von Media Markt E-Commerce AG, Media Markt Basel AG, Microspot AG sowie in den Geschäftsleitungen von Interdiscount AG und NCR (Schweiz) AG tätig.

Experte für Digitalisierung, Digital-Business, Handel, Sales & Marketing, E-Commerce, Strategie, Geschäftsentwicklung, Transformationen, Turn Around, Innovation, Coaching, erneuerbare Energien, Medien, Professional Services, Category Management, Supply Chain Management